Seitenbanner

Brief vom 17. Dezember 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


94.


[153]
Paris sontag den 17. december 1719.
… Er schreibt mir eine zeittung, so mich erfreüet: daß der apoteckerische fürst von Anhalt-Dessau[1] nicht mehr bey dem König in Preussen sein wirdt. Wenn er undt der Czaar beysammen sein werden, wirdt man mit recht das alte teütsche sprichwordt sagen können: Gleich undt gleich gesellt sich gern, sprach der teüffel zum kohlenbrenner.[2] Dießer herr hat einen discours zu Turin gegen meinen sohn geführt, so ich noch auf dem magen undt nicht verdauet habe: mit welcher lust er meinem sohn eine pistolkugel durch den kopf jagen wolte. Der König von Sicillien wurde [154] recht boß aus ihn, sagte ihm ins gesicht: er müste voll undt doll sein, umb so zu sprechen. Die apoteckerin, seine gemahlin[3], wirdt sich gar woll zu der Czaarin hoff schicken, da ist nichts ahn verdorben. Ein solcher mensch wie der printz von Dessau kan woll keinen gutten raht geben, alß an löwen undt tigern oder Moscowitter, so nicht weniger wildt sein, alß er ist. Mich wundert, daß der verstorbene König in Preussen[4] gelitten hat, daß dießer sein wilder neveu mit seinem herrn sohn umbgangen ist, da kont er ja nichts gutts von lehrnen. Daß dießer dolle printz zum Czaar gehet, wundert mich gar nicht, man findet die ursach in der commedie von Corneille: il est des noeuds secrets, il est des simpaties[5]; ich finde, daß sie viel simpatien haben: in grausamkeit undt im geringen heüraht. Es ist woll schadt, daß ein so alt hauß wie Anhalt durch ein so wildtes thier verschendt geworden ist; seine armen unterthanen jammern mich. Ich weiß nicht, ob ich Mons. Harling schon geschrieben habe, daß mein enckel, Madlle de Valois[6], die braut mit dem erbprintzen von Modene[7] ist; wir erwarten nur die dispense vom papst, weilen sie im vierten gliedt verwandt sein. Wir haben gar nichts neües. …
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 17. Dezember 1719 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 153–154
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0094.html
Änderungsstand:
Tintenfass