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Brief vom 28. Januar 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


97.


[156]
Paris den 28. Januari 1720.
… Die männer hir im landt bringen ihre weiber nicht umb, laßen sich hübsch, wie sie wollen, hörner aufsetzen, ohne zorn, aber à bon chat, bon rat[1], sie machen es nicht beßer. Es ist woll ein groß unglück, wenn sich große herrn wie Churpfaltz[2] von pfaffen regiren laßen, da kan nichts alß unglück von kommen; er solte eher großer herrn raht folgen undt seine armen unterthanen in ruhe laßen undt seinen wüsten pfaffen hübsch einen gutten stein ahm halß hencken undt sie damit in den Necker oder Rhein werfen; den raht wolte ich geben, were warlich nicht schlim. … Die lufft zu Paris ist ärger alß nie, man sicht in den gaßen entweder todte tragen oder man begegnet das h. sacrament, so man zu den krancken tregt. Es seindt dazu lauter ahnsteckende kranckheiten, alß kinderblattern, maßelen, hitzige fieber undt auch rotte ruhr; 5 oder 6 junge herrn, so ins Königs ballet mit I. M. dantzen solten, haben alle die maßelen bekommen oder die kinderblattern …, das macht mich recht bang vor den jungen König, denn alle dieße kinder seindt mit ihm umbgangen, undt das ballet petit, so gar artlich sein soll, wirdt in der zukunftigen woche gedantzt werden… Waß mich glauben macht, daß des Alberoni ungnade sicher ist, ist, daß er ahn den grentzen so ist vissitirt worden, daß man ihn biß aufs hembt außgezogen undt biß in die schu undt strümpf vissitirt undt alle brieff undt [157] papire genohmen. Das hat ihn so erzürnt, daß er einen brief ahn meinen sohn geschrieben, wo er ihn umb verzeyung bitt undt declarirt, daß alle libellen, so unter seinem nahmen gegen meinen sohn außgangen, nicht von ihm, sondern daß man sie ihm von Paris geschickt; worauß zu urtheilen, wie viel feindt mein sohn noch hir hat, da doch keiner von allen, denen er nicht mehr gnade gethan, alß sie ihr leben vom König entpfangen hatten. Aber es seindt keine undanckbarere leütte in der welt, alß die Frantzosen, noch interessirter. Alberoni in seinem brief ahn meinen sohn offerirt ihm, gantz Spanien zu verrahten, weilen er all le fort undt le faible von Spanien weiß. Das ist ein fein bürschgen! aber warhaftig die gegen meinen sohn hir sein, deügen nicht beßer…[3]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 28. Januar 1720 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 156–157
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0097.html
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