Seitenbanner

Brief vom 21. Juli 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


110.


[171]
St. Cloud den 21. Julli 1720.
… Es ist mir lieb, daß der König von Englandt glücklich dort ahngelangt ist, denn ich muß gestehen, seyder I. M. dero kinder wider zu gnaden ahngenohmen, seindt sie mir zehnmal lieber, alß wie sie sie so hart gehalten haben, welches niemandt approbiret hat, alß die boßen minister, so sie so bey ihrem herrn vattern verleümbt hatten, vor welche boßheit sie gott gar gewiß straffen wirdt. In seinem lustigen humeur habe ich den König nie gesehen; wie sie hir waren, waren sie immer still, froid undt sehr serieux; gott gebe, daß der sawerbrunnen nichts ahn des Königs gutter gesundtheit endern mag. Ich habe jetzt ein gar schlim gedechtnuß, kan nichts behalten alß waß ich in meiner kindtheit gehört undt gesehen habe. Solte ich die illuminirte taffel[1] noch sehen, würde ich mich der romischen historie noch woll erindren, welche mir nun wegen meiner antiquen medaillen nöhtiger were alß nie; es ist mir leydt, daß man diß stück nicht mehr finden kan. Gott gebe, daß der liebe printz Friedrich baldt wider zur volkommenen gesundtheit gelangen möge, sonsten fürchte ich, daß unßere liebe printzes von Wallis kranck wirdt werden, denn dießer liebe printz liegt ihr abscheülich ahm hertzen, welches woll natürlich ist: ich weiß, waß ein eintziger sohn bey einem rechten mütterlichen hertzen vermag undt habe es vergangen Mitwog woll verspürt, wie der pöpel das palais Royal so zu sagen gestürmbt, Laws kutscher gesteiniget undt 3 todte cörper in meines sohns hoff getragen, so in der preß von der banque verdruckt worden.[2] Wie ich aber ins palais [kam], war der popel wider retirirt undt alles gar still. Dieß alles aber war eine ahngestellte sach von meines sohns feinden, welche das parlement gegen ihn aufsetzen. Regent sein [ist] ein schlim handtwerck. Mein sohn quählt sich tag undt nacht, des Königs sachen in einen gutten standt zu bringen, undt es weiß ihm kein mensch danck. … Unßere printzes von Modene[3] ist nun zu Regio[4] undt schon seyder 4 wochen bey ihrem herrn, so sehr charmirt von seiner gemahlin sein soll, sie soll aber nicht so charmirt von ihm sein; sie ist gar ein lustiger humor undt er ist serieux, still undt taciturne. Wie es weiter ablauffen wird sal de tiedt lehren; ich fürchte aber, daß zwey so gar opponirte humoren nicht lang einig bleiben werden. … [172]
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. Juli 1720 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 171–172
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0110.html
Änderungsstand:
Tintenfass