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Brief vom 22. September 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


113.


[175]
St. Cloud den 22. september 1720.
… Ich bin fro, daß Mons. Harling der requeil von alten undt neüen versen[1] divertirt hat. Ich bin gantz seiner meinung, daß le vieux langage mehr expressionen hat, alß wie man nun spricht. Amadis[2] könte man nicht in itzig frantzösch leyden; man hat Don Quichot[3] drin setzen wollen, es hat aber gar nicht reussirt. Vor 40 jahr habe ich Philipe de Comine[4] geleßen, erinere es mich gar wenig, funde damahlen den stil sehr naif. Were ich zu Hannover in meinem alt apartement geweßen, so hette ich woll wißen können, wo man die stück bey des Königs in Preüssen abzug gelöst, denn meine fenster erschütterten allmahl, wenn man die stück auf dem wall löste: über die Leine, ahm eck auf der lincken seytte; auf der rechten seytten waren viel gemeine alte heüßer; über die heüßger war der damm, wo man zu des cammerpresidenten Büllau[5] hauß [ging]; über die Lein sahe man das blachfelt… Nichts ist lügenhafftiger, alß die gazetten undt zeittungen; wenn man hir in Franckreich jemandts ein stück ahnthun will, lest man auf ein zettelgen schreiben, was man zu wißen thun will, wickelt einen thaler drin undt macht die überschrifft: au gazetier d’Holande, so ist man gewiß, daß die post hernach alles waß in dem zettel geweßen, in den holländischen zeittungen stehet. Ich habe es zwar nie gethan, aber von andern oft practisiren sehen; also können sie nicht gar glaublich sein, weil die partialitet allezeit drinen ihr spiel hat…
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 22. September 1720 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 175
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0113.html
Änderungsstand:
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