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Brief vom 11. Mai 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


125.


[192]
St. Cloud den 11. may 1721.
… Ich andtworte allezeit exact ahn meine gutte freündte, denn das erhelt das commerce, alß wenn man miteinander spricht undt unterhelt also die kundtschaft, alß wenn man noch beysamen were; das ist aber kein danckens werth, sondern eine gar billige sache. Mich deücht, daß es nicht erlaubt ist, wenn man schon so alt geworden, alß ich bin, undt da das fewer von der jugendt keine etourderie mehr zuwege bringt undt man völlig wissen soll, waß tugendtsam ist, solches nicht auf sein bestes zu suchen undt zu folgen. … Wir armen menschen seindt in schwachheit undt sünde gebohren, das ist gewiß, aber weilen unß gott durch sein heyliges wordt doch auß barmherzigkeit lernt, wie wir durch wahren glauben ahn seinen sohn undt gutte tugendtsame wercke, so die früchte unßers glaubens sein, durch gottes gnaden die mittel haben, unß auß unßerm ellendt zu erretten, so kompt es mir unsinnig vor, daß die leütte, undt dazu die vornehmbsten, so mit lust ihre seeligkeit, reputation undt gesundtheit verschertzen wollen vor nichts alß wüstereyen, so, wenn mans ihnen befehlen solte, ihnen ekeln würde. Aber ich werde gewahr, daß mein brief eher einer sontagspredigt gleicht, alß einem brief, aber weilen Mons. Harling meine gedancken nicht mißfallen, so habe nicht laßen können, meine feder folgen zu laßen, waß mir in den sinn kommen. Mich deücht, daß endern undt unbeständig sein mehr der Frantzoßen, alß unßer Teütschen laster ist, undt wie ich eine Teütsche bin undt in unßern alten teütschen maximen zu leben undt zu sterben pretendire, also hat Mons. Harling nicht zu fürchten, daß ich mein leben gegen ihn endern werde; in unßerm alter kan nichts freündtschaft trennen, denn sie ist allezeit, wie man hir sagt: en tout bien et tout honneur.[1]
Es bekompt mir gar woll, von Paris weg zu sein, ich finde meine gesundtheit sehr verstärckt. Hir ist die lufft gantz parfumirt; wenn ich morgendts umb 6 die fenster aufmachen laße, riche ich die lufft wie ein bouquet blumen, welches woll different von Paris, da man morgendts nichts alß (met verlöff) außgeleerte nachtstül undt kammerpot richt, welches [193] gar kein ahngenehmes parfum ist. … Man muß hoffen, daß der donner, so man zu Hannover ahm gründonnerstag gehabt, ein gutt jahr bedeütten wirdt, denn das sprichwordt sagt: Früher donner, spatter hunger. … Schmertzen leyden fürchte ich unerhört, kan also leicht begreifen, daß langeweille vorgezogen wirdt; daran bin ich nun so gewondt, daß es mir gar keine mühe mehr gibt, frage auch nach keinem divertissement mehr, ich gedencke so wenig ahn die jagt, alß wenn ich mein leben nicht gejagt hette; das opera deücht nichts mehr, nach commedien frage ich die helfte nicht mehr so viel, alß vor dießem. Alles geht also bey mir sehr schlapies her; aber ich halte es vor gutt, sich der welt zu entwöhnen, die man doch baldt verlaßen muß. Mein sohn verzehlte mir gestern des Pölnitz zu Madrit abjuration in des Königs in Spanien beichtvatters hände; waß aber poßirlich ist, ist, daß es das 5te mahl ist, daß er abjuration thut, einmal hir in Franckreich, 3 mahl in Teütschlandt undt jetzt in Spanien. Es were aber beßer, wenn er eine abjuration thete, ein leichtfertiger schelm zu sein. Neuhoff[2] ist kein so gutter edelmann, alß die andern zwey; seine mutter war nicht von adel, nahm, nachdem sie witwe geworden, einen banquier, so noch lebt undt Marneau heist. Ich fragte sie einmahl, wie sie sich hette resolviren können, nachdem sie einen edelmann von gar guttem hauß gehabt, wieder einen bürger zu nehmen? so antwortete sie mir in lachen: Die teütsche adeliche leütte haben mich zu sehr veracht, weilen ich nicht von adel war, so habe lieber meines gleichen nehmen wollen, mit welchem ich glücklicher lebe. Die geweßene große politesse, die so lange gewehrt, alß die seel. Königin gelebt, ist gantz undt gar in Paris wie auch ahm hoff abkommen; man solte keine junge leütte mehr in Franckreich schicken, sie lehrnen nichts mehr, alß abscheüliche desbauchen. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 11. Mai 1721 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 192–193
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0125.html
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