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Brief vom 30. Oktober 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Friedrich v. Harling


134.


[202]
St. Cloud den 30. october 1721.
… Gestern war ich zu Paris, habe bey der gutten Duchesse de Lude[1] zu mittag geßen, hernach zum König, hernach ins palais Royal, wo ich mit mein enckel, dem Duc de Chartre, ein kindt auß der tauff gehoben, nach der tauff hab ich viel visitten entpfangen, bin abendts in die commedie La Thebayde[2] undt das poßenspiel war von Cartouche[3]. Die duchesse de Lude hat mir ein magnifique [eßen] geben, 5 mahl ahngericht undt das confect war artlich: grotten mit zuckerfiguren, schäffer, schäfferinen, etliche hilten glaßerne züber, worin von oben herab allerhandt liqueurs floßen, oben war ein eingemacht große annanas, alles war gutt undt schön. … Ich werde meinem gelehrten Baudelot[4] des Ortence lateinische vers schicken; der arme mann kan nicht herkommen, ist mit einem rheumatisme über den gantzen leib behafft. Man kan unßern Evesque de Laon[5] nicht abbé d’Orléans heißen, weilen er nicht [203] legitimirt geworden, ob er zwar meines sohns sohn ist, undt gewißer alß alle anderen, denn er gleicht Monsieur seel. gar sehr, undt weil ich ihn vor den sichersten von meines sohns bastarden halte, ist er mir auch der liebste undt hat sich auch von kindtheit ahn mehr ahn mich attachirt, alß die anderen. Ich hette gern, daß ihn mein sohn legitimiren mögte, aber er sagt, er hette des grandprieurs[6] mutter versprochen, keinen von seinen bastarden, alß nur ihren sohn zu legitimiren; aber nun er duc et pair ist, ist nicht viel dran gelegen. … Ich muß wider willen enden, denn da kommen 3 envoyés zu mir, die ich entreteniren muß: der von Schweden, der von Florentz undt der von Parme, muß sagen: ein andermahl wollen wirs beßer machen, wie die teütschen commedianten alß zu sagen pflegen. Ich hatte willens, ihm heütte viel von einem ertzschelmen zu verzehlen, so man ertapt hat undt Cartouche[7] heist; es ist ein wunderlicher heyliger. Umb Mons. Harling ein wenig zu amusiren, schicke ich ihm etliche von Cartouches dictons. Nun aber soll er einen gantz andern ton nehmen undt nichts mehr thun alß weinen, seyderdem man ihm den andern capitaine des voleurs confrontirt hat, so auch mit ihm gemordt hat, er heist La Magdelaine. Aber da kommen die herrn envoyés herein. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. Oktober 1721 von Elisabeth Charlotte an Friedrich v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 202–203
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d10b0134.html
Änderungsstand:
Tintenfass