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Brief vom 6. Februar 1699

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


72.


[121]

A mad. Amelie Elisabeth, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Marly den 6 Februari 1699.
Hertzliebe Amelise, ich habe mich von der geselschafft, so zu sagen, weggestollen, umb auff Ewern lieben brieff vom 17/27 Januar zu antworten, so ich vorgestern entpfangen, ehe wir von Versaille weg sein; den ich sehe woll durch waß mir schon etlichmahl begegnet, daß, wen man einmahl ans auffschieben kompt, hatt man große mühe, ehe man wider zum schreiben gelangen kan. Gott gebe nur, daß ich dießmahl auch nicht wider möge verstöret werden, welches leicht geschehen könte! Den der könig undt die königin von Engellandt werden dießen abendt herkommen, den bal en masque zu sehen; sie werden auch hir zu nacht eßen. Es ist aber auch woll einmahl zeit, daß ich auff Ewer schreiben komme. Es ist mir recht leidt, das der arme abé de Thesseut kranck ist. Ihr habt recht woll bedacht, die brieffe so zu partagiren. Ewere brieffe gefallen mir recht woll. Continuirt nur, imer natürlich undt ohne façon zu schreiben! Den complimenten kan ich gantz undt gar nicht vertragen. Wolte gott, Ihr kontet mir waß schreiben, so mich konte zu lachen machen! Den daß lachen wirdt seyder etlichen [122] jahren her sehr rar bey mir, entwehne es schier gantz undt gantz undt mein miltz befindt sich nicht beßer dabey. Glaubt nicht, liebe Amelisse, daß der verstandt in complimenten bestehet! In meinem sin erscheindt er viel mehr, wen man woll undt naturlich schreibt, wie Ihr thut. Die alberste leütte von der welt können ein compliment behalten undt schreiben, aber woll von alles zu reden undt einen coulanten stiel haben, daß ist rarer, alß Ihr woll meint; derowegen hatt Ewere große demutt unrecht, Eüch glauben zu machen, daß Ihr nicht woll schreibt. Ich glaube nicht, daß die fraw von Ratsamshaussen ihr versprechen wirdt halten können, nach Franckfort zu gehen. Es ist ihr ein schaden ahm fuß undt knie kommen von einem fall, so sie gethan, wie sie auß Lotheringen kommen. Die fürstin von Hannaw wirdt ihren herrn vatter nicht zu Strasburg gefunden haben; er ist noch zu Paris, sein printz aber ist nach Strasburg. Niemandes würde Eüch mehr von meinem leben verzehlen können, alß eben die Rotzenheusserin; den sie ist alle jahr 5 oder 6 monat bey mir undt quittirt mich nicht, biß ich schlaffen gehe. Es frewet mich von hertzen, daß unßere gutte landtsleütte so woll mitt mir zufrieden sein, allein ich habe doch niemandes einigen dinst thun können. Monsieur Hunefelt ist gar ein feiner mensch, ist, wie er gesagt, gar fleißig zu mir kommen mitt monsieur Polie, welcher noch eben ist, wie Ihr ihn gesehen, gantz undt gar nicht verendert, geht strack, hatt alle seine zähn, sicht undt lest die reinste schriefft ohne brill, hört wohl undt hatt den verstandt, wie er ihn all sein leben gehabt hatt, undt ist doch jetzt 78 jahr alt. Wen ich ihn wider sehen werde, will ich ihm sagen, daß es Eüch frewet, daß er noch bey leben ist. Mein dochter ist zwar sehr content in ihrem ehestandt, allein sie ist nun schwanger undt erschreklich kranck dabey mitt ohnmächten undt übergeben. Wer nicht im zwang leben will, muß Franckreich meyden. Wie Ihr mir Ewer leben beschreibt, finde ich es recht ahngenehm. Hir gereüht es einem baldt, wen man frey gesprochen hatt; drumb lebe ich so einsam. Mich wundert, daß der keyßer dem romischen könig seine leütte hatt selber wehlen [laßen]; daß müste hir monsieur le Dauphin nicht unterfangen, es ging nicht ahn. Es ist mir leydt, daß man der romische königin eine intrigante fraw gegeben; daß wirdt ihr übel zu pas kommen, welches mir sehr leydt were; den ich habe die gutte königin recht lieb. Die Pflugin wirdt aber auch genung zu [123] thun bekommen. Den wie Ihr, liebe Amelisse, recht remarquirt, es ist keine geringe arbeit, freüllenhoffmeisterin zu sein. Abé de Thesseut ist von natur mager; glaube nicht, daß er sein leben fett kan werden. Ich wolte ihm gern ein pfundt 50 fett überlaßen, ich hette noch genung ahm überigen. Es ist war, daß es gar ein ehrlicher man ist; aber waß er vor mich außricht, da werde ich woll wenig von genießen. Ob gott will, so wirdt Monsieur, so gar gesundt, lenger leben, alß ich, undt so lang I. L. leben, habe ich nichts von meinen gutt zu pretendiren, werde auch nichts bekommen. Alle abendt seindt hir bal im masquen; die sehe ich woll mitt zu, divertiren mich aber nicht, schlaff schir drüber ein. Nun rufft man mich; die königin kompt, ich muß I. M. entgegen. Adieu, liebe Amelisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt habe Euch recht lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 6. Februar 1699 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 121–123
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0072.html
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