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Brief vom 22. Mai 1699

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


83.


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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

St Clou den 22 May 1699.
Hertzliebe Louisse, gestern bin ich mitt Ewerm lieben brieff vom 2/12 May erfrewet worden. Wie mir Amelisse schreibt, so muß sie mehr alß einen brieff geschrieben haben, so ich nicht entpfangen. In kleinen undt großen sachen sicht man nur gar zu woll, daß alles ein sort oder verhengnuß hatt. Amelisse ist glücklich, keine brieffe von gar großer importantz zu schreiben zu haben, sonsten würde ihr manch unglük zustoßen, weillen sie so unglücklich mitt ist.
Sambstag den 23 May 1699.
Wie ich gestern biß hirher geschrieben hatte, kamme der holländische abgesante undt sonsten noch viell leütte, daß ich ohnmöglich fortschreiben konte. Vor halber 9 konte ich nicht wider in mein cabinet kommen undt hernach war es zu spät, mein paquet auff die post nach Paris zu schicken. Gott gebe, daß mir ferner keine hinternuß zustoßen möge undt daß ich heütte außschreiben mag!
St Clou, montag den 25 May, umb halb 11 morgendts.
Mein wunsch wurde vorgestern gar nicht volzogen; den in selbigen augenblick, wie ich ahn dem letzten wort von mag ware, kamme Monsieur hir ins cabinet undt rieff mich, umb mitt I. L. spatziren zu fahren. Die promenade wehrte biß umb halb 9, konte also ohnmöglich außschreiben. Gestern fuhre ich nach Paris ins Port royal undt schriebe dort ahn ma tante, die fraw churfürstin, undt weillen ich I. L. alß alles schreibe, waß hir vorgeht, wurde mein brieff von 5 bogen, konte hernach ohnmöglich mehr schreiben; den die Parisser lufft stieg mir im kopff undt mein kopffwehe hatt biß umb 11 abendts gewehrt, da mir etliche tropffen bludt auß der naß gangen sein; damitt hatt mein kopffwehe auffgehört. Heütte habe ich zwey postage, alß nehmblich den von Savoyen undt von Lotheringen, bin aber ein halb stündtgen eher auffgestanden, alß ordinari, damitt ich dießen morgen dießen brieff einsmahl außschreiben möge. Ehe ich aber wider auff Euerm brieff komme, liebe [144] Louisse, so muß ich Eüch sagen, daß die graffen von Nassaw zu Paris ahnkommen sein undt haben mir gestern durch Jeme daß große buch undt Eweren lieben brieff vom 5 May – 25 April geschickt. Ihr schreibt mir aber nicht, waß daß buch kost; bitte, mir es doch mitt der ersten post zu berichten, werde es mitt danck bezahlen. Die junge graffen von Weilburg werden morgen zu mir kommen. Heütte ist ihr hoffmeister zu mir kommen; dem habe ich schon gesagt, wie sehr Ihr Eüch der freündtschafft berümbt, so der graffen fraw mutter undt tante Eüch erwießen. Ich habe dem hoffmeister monsieur Meüvius schon gesagt, wie ein ellendt undt gotslasterliches leben die jugendt hir führt undt wie er woll acht haben muß, daß seine zwey junge herrn hir nicht verführt werden; den die bursch seindt greülich über junge artig leütte verpicht; undt weillen sie so Ewere gutte freünde sein, will ich mein bestes thun, sie hir vor alles übel zu wahrnen; auch alles, waß zu sehen kan sein, da will ich ihnen zu helffen, alß landtsleütten undt auch weillen sie Ewer undt Amelis recomandation haben. Im überigen so wirdt mich deß herrn Ludolfs buch sehr amussiren, finde die kupfferstück hübsch. Wer hatt sie aber gestochen? So baldt daß zweyte buch undt 3 buch in truck kommen werden, bitte ich, liebe Louisse, mir sie auch zu schicken. Daß ist alles, waß ich Eüch auff den brieff mitt den graffen von Nassau-Weilburg sagen kan. Ich komme jetzt wider auff Ewer erstes schreiben. Amelisse, glaube ich, wirdt es recht piquiren, so unglücklich mitt ihren brieffen zu sein; den wen ich in ihrem platz were, verdröß es mich recht. Man kan aber doch das lachen nicht drüber halten, wen so etwaß wunderliches geschicht. Aber thut es ihr vielleicht jemandes von ihren gutten freünden zum poßen? Ma tante hatt mir gleich geschrieben, wie Carl Moritz zu Herrenhaußen ahnkommen. Sie haben ihn in eine Turquin verkleydt, sagen, er sehe viel beßer so, alß in manskleyder, auß undt alß in seine eygene kleyder. Sie hatt ihn recht lieb undt die churfürstin von Brandenburg auch. Ich sage von hertzen amen zu alle gutte wünsche, so Ihr vor ma tante gesundtheit thut. Wen meine reiße nach Bar (wo meine dochter ins kindtbett kommen solle) gewiß were, so würde ich Eüch mitt freüden rendevous dorthin geben. Es ist aber noch gar nicht sicher; den man ist sehr dificulteus hir undt man hatt seinen freyen willen nie; were es aber sicher, daß ich hin könte, so würdet Ihr [145] ohne façon incognito hinkommen können, aber wie schon gesagt, ich bin gar nicht sicher von meiner reiß. Einen tag sagt man, es könne woll sein, andern tags finden sich hundert difficulteten; den sagt man, es were noch zu frühe, die sach zu resolviren; den weillen ich ja in 3 tagen hin könte, were es genung, die sach 3 tag zuvor zu resolviren; suma nichts ist noch sicher, also will ich Eüch auff nichts ungewißes bescheyden. Gehe ich hin undt bleibe etliche zeit da, den wirdt es zeit genung sein, Euch berichten, zu kommen, aber gantz incognito. Mein sohn ist, gott sey danck, in gantz perfecter gesundtheit; were ein hitzig fieber drauß worden, würde ich ihm gleich daß meledy-Kent-pulver geben haben. Die Parisser lufft kan ich weniger, alß nie, vertragen. Morgen werde ich die zwey junge graffen von Nassau sehen. Tregt der herr Ludolf seine rotte peruque noch, die er unten knüpfft? Ich glaube, ich bin nicht in seinen gnaden; den ob er zwar zimblich lang in Frankreich geweßen, ist er doch nur einmahl zu mir kommen. Es ist ein wunderliche sache, daß die gar gelehrten so narische maniren ahn sich haben undt nicht wie ander leütte sein können. Es ist etwaß rares, jemandt zu finden, wie Ihr den schwedischen gouverneur beschreibt. Ich bin fro, daß Ihr so eine ahngenehme societet habt undt keine langeweille. Vor daß contrefait von Churpfaltz dancke ich Eüch sehr. Ob I. L. zwar, wie ich sehe, ein wenig veralt sein, so hette ich ihn doch sehr woll gekendt, undt das kupfferstück gleicht über die maßen woll; werde es in mein buch kleben, finde es woll gestochen. Wen noch mehr dergleichen kupffer undt andere conterfaitten zu Franckfort wehren, würdet Ihr mir, liebe Louisse, einen großen gefahlen thun, selbige zu schicken. Wie der graff von Wittgenstein von seinem heüraht spricht, so mögte ihm die sach gerewen; würde nicht übel thun, selbigen zu brechen. Man rufft mich alleweill, umb in die kirch zu gehen, muß also schließen. Nun seindt auch Ewere brieff durchauß beantwortet, undt die großhertzogin kompt herein, weiß also schir nicht mehr, waß ich sage. Adieu, hertzliebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt habe Eüch von hertzen lieb undt Amellisse auch.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 22. Mai 1699 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 143–146
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0083.html
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