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Brief vom 13. November 1701

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


146.


[250]
Fontainebleau den 13 Novembris 1701.
Hertzliebe Louisse, ich dancke Eüch sehr vor daß abcopirte testament, so Ihr mir sambt herr Ferdinants von Degenfelt brieff geschickt. So baldt ich zu Versaillen werden, werde ich sie gegen die andere confrintiren laßen, wie auch mitt dem, so Bourgois hatt. So viel ich ingnorent von der sagen judiciren kan, so wirdt alles woll auff die lange banck kommen, wie man im sprichwort sagt. Alles ist recht verdrießlich hirinen, aber dazu bin ich, so zu sagen, gebohren, mehr von verdrießlichen, alß ahngenehmen sachen zu hören. Vor dießem undt zu Monsieur lebzeitten fragte ich nichts [251] nach dießen affairen auß (in meinem sin) sehr raisonablen ursachen, erstlich weillen ich kein heller noch pfening davon zu sehen bekamme, undt zum andern weillen Monsieur absolute nicht haben wolle, daß ich mich drin mischen solte. Jetzt aber hatt es eine andere beschaffenheit; ich muß es haben, umb mein leben undt standt zu erhalten können; daß macht auffsehen. Es were mir sehr nohtig, liebe Louisse, daß ich Ewern verstandt in affairen hette; ich glaube aber, ich fange zu spat ahn, umb gelehrt drinnen zu werden; den im 50 jahr ist man zu alt, waß recht zu lehrnen, wovon man sein leben zuvor nichts gehört hatt. Ich werde thun, so gutt ich kan, im überigen den lieben gott walten laßen. Es wirdt mir doch nichts geschehen, alß waß von ewigkeit verordnet ist. Ich kan nicht begreiffen, [daß] Carl Moritz, so doch gutten verstandt hatt, sein laster nicht so abscheülich findt, alß es in der that ist. Ich glaube, daß, weillen ma tante, die fraw churfürstin, über seine possen lacht, macht es ihm glauben, daß es nichts auff sich hatt, wen er gesoffen hatt, undt bildt sich ein, er werde artlich davon. Er hatt woll viel verlohren, daß I. G. der churfürst, unßer herr vatter, nicht lenger gelebt hatt; der würde ihm daß sauffen braff verdrieben haben. Waß ich in Engelandt vor Ewrem neuveu fürchte, ist, daß, wen er unter die leütte kommen wirdt, daß er nicht in daß laster falle, so in Engellandt ebenso gemein alß hir undt in Ittallien ist, nehmblich mitt mansleütten zu thun zu haben; den der duc de Schomberg, sein herr vatter, so dießem laster nicht zugethan, wirdt es nicht mercken, wen man seinen sohn desbauchiren wirdt. Es ist mir leydt, daß Ewere niepce die kinderblattern gehabt hatt; den ob sie zwar nicht zeichnen, endern sie doch die hautt undt die phisionomie. Der sohn muß verstandt [haben], so artig zu antwortten. Ich bin fro Ewertwegen, daß der graff von Löwenstein, der keißerliche gesante, wider zu Franckfort ist; den ich hoffe, daß es Eüch mehr verenderung geben wirdt. Ich beklage den armen graffen von Solms, einen proces wider willen zu bekommen; sein lustiger herr bruder muß ihn trösten. Ewer schreiben, liebe Louisse, ist mir weder alber noch zu lang vorkommen; Ihr sechts ja woll, indem ich hirmitt gar exact drauff geantworttet habe. Im überigen so habe ich einen großen brieff von dem notary Zweyffel bekommen mitt ein hauffen rechnungen; pretentirt, ich seye ihm viel schuldig, undt begehrt, ich möge Eüch meine [252] resolution hirauff berichten, welches ich hirmitt leicht thun werde. Zweyffel muß die frantzösche affairen durchauß nicht verstehen, daß er mir gelt fordert. Erstlich so weiß ich nicht, ob mans ihm schuldig ist, indem er selber gestehet, den 3ten theil von seiner pretention entpfangen zu haben, undt daß der raht Reyer ihm daß überige abgesprochen, da muß selbiger raht Reyer seine ursachen zu gehabt haben. Wofern er, nehmblich Zweyffel, waß dargegen einzuwenden gehabt hette, solte er es damahls gleich gethan haben undt nicht jetzt. Dem seye nun aber, wie ihm wolle, so kan mich die sach durchauß nichts ahngehen, indem, so lang Monsieur s. gelebt, alles, waß man auch in meinem nahmen gethan, allein auff I. L. kommen alß maistre de la comuneauté, undt weillen seine schuldt zu Monsieur lebzeitten gemacht worden, habe ich durchauß nichts dran zu bezahlen, muß sich derowegen ahn monsieur de Moras ahnmelden, damitt, wo selbiger gestehet, daß man obgemeltem Zweyffel waß schuldig, solches, wie er weiß, daß sichs gebührt, ahn gehörigen orter vorzubringen. Waß sein unglück ahnbelangt, daß seine gütter seindt verbrendt worden, so ist es mir leydt, aber ich bin nicht schuldig, zu ersetzen, waß der krieg undt deß königs arméen vor unglück nach sich gezogen. Ich müste reicher, alß Cresus, sein, wen ich diß alles, bezahlen müste. Ich bin auch leyder in keinen standt, pressenten zu geben. Meine affairen undt theylung mitt meinem sohn ist noch nicht reglirt. Man muß erst sehen, wie man sich nach seinem standt erhalten kan, ehe man sich auff generositet undt pressenten legt. Also wirdt mich herr Zweyffel vor dießmahl vor entschuldigt halten, schicke ihm hirbey alle seine, mir ohnnöhtige, paprassen wider. Er hette sich erst der frantzöschen maniren undt rechten informiren sollen, ehe er mir seine papir geschickt, die mich gar nicht ahngehen, undt die propossition bey itzigen zeitten ist weder aprop noch höfflich. Daß ist alles, waß ich ihm andtwortten kan; bitte, wolts ihm doch deüttlich berichten, liebe Louisse, undt ihm alle seine papir wider zuschicken. Wir haben nichts neües hir. Es frirt abscheülich; ich fürchte, wir werden eben so einen kalten winter haben, alß wir einen heißen sommer gehabt haben, welches mir gar nicht ahnstehen solte; den ich fürchte die kälte unerhört. Morgen werden wir nach Seaux, so dem duc du Maine zukompt, undt biß mittwog werden wir nach Versaille; wo ich aber auch sein mag, so werde ich fleißig ahn [253] Eüch gedencken undt Eüch undt Ewere geschwister allezeit von hertzen lieb behalten.
P. S.
Amelisse ambrassirt von meinetwegen, undt wen Ihr ahn herr Ferdinant schreibt, so grüst ihn sehr von meinetwegen!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 13. November 1701 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 250–253
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0146.html
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