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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hannover.
Versaille den 19 Mertz 1702.
Hertzliebe Louisse, ich will jetzt noch auff Ewer liebes
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schreiben vom 10 Mertz andtworten durch die Hannover-post; den nach
meiner rechnung wirdt Eüch mein brieff noch dort ahntreffen, undt
in allem fall, soltet Ihr verreist sein, wirdt Eüch ma tante mein
brieff woll nachschicken. Ewer neueu muß Eüch woll verobligirt
sein, liebe Louisse, daß Ihr so viel mühe vor ihn nembt, Eüch so
sehr mitt seinen affairen zu plagen. Ich kan nichts von Ewer sach
sagen, weillen ich die dificulteten nicht weiß, so sich dabey finden
können. Ich hoffe, daß diß jetzige sanfftes undt schön wetter ma
tante gantz von ihrem husten couriren wirdt; auffs wenigst wünsche
ich es von grundt meiner seelen. Monsieur Polier pretendirt, daß
der husten gar gesundt ist undt daß sich die natur dadurch purgirt
von allen boßen humoren. Ich bin gewiß, daß, wen Ihr monsieur
Polier sehen soltet, würdet Ihr ihn sehr wenig verendert finden,
geht noch so geschwindt undt strack, alß er sein leben gangen ist,
hatt noch seine zähn, ob zwar gar schwartz wegen daß vielle
tapackdrincken, sicht ohne brill undt den verstandt gantz wie
ordinarie, ist all eben woll nun 82 jahr alt. Ich hoff, ma tante, die
fraw churfürstin, wirdt auch so in dem alter sein. Ihre fraw
schwester, die fraw abtißen von Maubisson Libden, kan reinere schrifft
ohne brill leßen alß ich, hatt den verstandt gutt undt lustig undt
lebhafft, allein sie bückt sich sehr. Ich glaube, daß daß späte eßen
undt schlaffen gehen nur eine gewohnheit ist. Wen unß unßer
hergott nicht schön macht, muß man sich woll getrösten; den man
were noch heßlicher, wen man sich drumb hencken solte. Den
trost hatt [man], daß die schönnen mitt der zeit auch heßlich sein
werden. Die gesundtheit ist ahm besten. Wir haben hir nichts
neües, werde Eüch, liebe Louisse, also vor dießmahl nichts mehr
sagen, alß daß ich Eüch undt Amelisse undt Carl Moritz allezeit
recht lieb behalten werde.