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Brief vom 12. Oktober 1702

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


181.


[310]

A mad. Amelie Elisabeth, raugraffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Fontainebleau den 12 October 1702.
Hertzliebe Amelisse, weillen ich noch ein stündtgen habe, ehe ich in die commedie gehe, so will ich es ahnwenden, umb ahn Eüch zu schreiben. Gott weiß, wen ich wider so viel zeit finden werde. Ich habe zwey von Ewere ahngenehme schreiben schon zu Versaille entpfangen, ehe wir hir weg sein, aber ohnmoglich beantwortten können, ob sie mir zwar sehr lieb geweßen. Ich glaube auch nicht, daß ich jetzt mehr zeit haben werde, alß nur daß letzte zu beantworten, so vom 28 September ist undt ich vergangene woch entpfangen. Ich habe woll gedacht, daß Ihr wider zu Franckfort sein würdet; den ich habe meinen letzten brieff ahn Louisse dorthin adressirt. Ich bin fro, daß jetzt so gutte geselschafft zu Franckfort; die Ihr aber vor fürsten außgebt, kan man sagen, wie daß hießige sprichwort ist: Ils sont des princes a gros grain. Deß landtgraff von Darmstat gemahlin ist gar keine princes. Ich kene ihre fraw mutter gar woll, sie ist deß duc Davres dochter. Es seindt leütte [311] von qualitet, aber (unter unß gerett) es ist gar nichts fürstliches in ihrem hauß, seindt nicht mehr, alß alle hießige ducs auch sein, undt glaubt mir! der landtgraff ist gantz verquackelt mitt dießem heüraht. Ihr mutter ist gar übel geschaffen, hatt aber gar großen verstandt. Ich habe ihren vatter auch gekendt, war ein wackerer man. Ich muß lachen, wo man daß fürstenthum von Cosaea außgefischt hatt. Es heist nicht pat a l’oeuil, waß die weiber en desabillé tragen; sondern battant l’oeuil, weillen es auff die augen schlegt. Es seindt hir damen, die gar gutte minen haben, ich weiß aber nicht, ob sie zu Brussel so sein. Der fürst Taxis daß ist auch wider ein doll fürstenthum; wen Ihr daß vor fürsten zehlen wolt, werdet Ihr woll bey dutzenden finden. Die Lockowitz seindt gar neüe fürsten; vor 4 jahren wahren 2 brüder hir, hatten aber den rang nicht. Die sich so geschwindt wider heürahten, wollen die weldt wider ersetzen in waß der krig umbbringt. Ich hoffte, daß die römische königin die[1] Heydelberg bleiben solte undt dortten einen pfaltzischen ertzhertzog machen, weillen I. M. ja schwanger sein. Ob wir pfaltzgräffinen zwar die grösten heübter von der welt, so zu sagen, gemacht haben, so will man hir kaum glauben, daß wir von guttem hauß, undt kompt ein pfaltzgraff her, wirdt ihm ein lumpener duc den rang disputtiren. Daß kan mich offt so doll machen, daß ich auß der hautt mögt fahren; mein sohns gemahlin aber findt, daß sie groß recht haben. Ich habe manche disputte schon mitt ihr drüber gehabt. Ich verliehre schir die hoffnung, ma tante, die fraw churfürstin, königin in Englandt zu sehen; den die königin Anne solle sich nun woll befinden. Mich wundert, daß man der römischen königin daß reißen erlaubt; obs zwar en chaisse geschicht, so kan ein träger leicht fallen. Die römische königin wirdt leicht roht, ist all ihr leben so gewest. Lest man sie dantzen, da sie schwanger ist, daß deücht auch nicht. Nun der dicke thurn nicht mehr zu Heydelberg leyder ist, kan ich mir nicht einbilden, wo man daß opera spillen wirdt, es sey dan im keyßerssahl unten im Otto-Henrichs-bau. Ich bitt Eüch, liebe Amellisse, schreibt mir, wo die römische königin zu Heydelberg logirt hatt! Unter unß gerett, der churfürst zu Pfaltz hette beßer gethan, die 20000 thaller ahnzuwenden, daß arme schloß wider zu bawen, [312] alß vor ein opera; daß ist gar nicht apropo in jetziger zeit. Ich habe jetzt nur 9 hundtger in meiner cammer; daß ich aber ahm liebsten gehabt, ist dießen sommer gestorben. Die mobsger seindt ordinarie gar trew, ich habe aber die espanieulger lieber; alle meine hunde seindt espanieulger undt von einem geschlegt. Ewere liebe brieffe, liebe Amellisse, seindt mir nie zu lang, leße sie recht gern. Von der römische königin höre ich gern viel; den ich habe sie recht lieb. Hette ich nicht so starck ahn ihrer wegreiße getriben, wehren I. M. jetzt nicht römische königin. Ich muß lachen, daß Ihr so possirlich sagt, daß die herrn von Franckfort forchten, daß es ihnen wie denen von Ulm gehen mögte. Da kompt mein sohn herein undt sagt, es seye zeit, in die commedie zu gehen, muß also schließen wider meinen willen; den ich bin noch woll im humor, zu blaudern, hette gern noch eine stündgen geblauttert. Ich habe aber nicht einmahl der zeit, mein brieff zu überleßen. Endtschuldigt die fehler, liebe Amelisse, undt seydt versichert, daß ich Eüch von hertzen lieb habe!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 12. Oktober 1702 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 310–312
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0181.html
Änderungsstand:
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