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Versaille den 17 Februari 1704.
Hertzliebe Amelisse, ich habe schon vor 6 tagen Ewern lieben
brieff vom 31 Januari entpfangen, aber mitt fleiß nicht eher, alß
nun, beantwortet, weillen, wen ich eher, alß nun, geschrieben
hette, mein brieff zu Luneville hette müßen liegen bleiben; wirdt
also jetzt frischer überkommen. Die ursach, warumb ma tante nicht
durch Eüch geantwortet hatt, ist, daß mein brieff, weillen er zu
Luneville liegen blieben, alter ist worden, alß der, so über die
Schweitz geht. Drumb schicke ich jetzt dießen zu rechter zeit, damitt
ma tante sehen mag, daß die aber Franckfort noch geschwinder
gehen; bitte Eüch, liebe Amelise, derowegen dießen beyliegenden
brieff so baldt zu überschicken, alß möglich sein wirdt. Waß albere
possen seindt doch daß, daß man zu Franckfort soubçoneus ist über
waß Ihr mir schreibt? Vertrawen sie Eüch den alle stadtssachen,
daß sie meinen, daß Ihr sie verrahten werdet? Sie mögen ja nur
unßere brieffe sehen, so werden [sie] woll finden, daß man von
keinen staadtssachen spricht; also mögen sie woll unßere brieffe
lauffen laßen. Ich gestehe, daß ich offt verwunder bin, zu hören,
wie es in Teütschlandt nun zugeht; alles muß in den 32 jahren, so
ich hir bin, erschrecklich geendert sein. Mich wundert, da doch
so viel leütte zu Franckfort sein, wie man sich nicht beßer dort in
dem letzt verwichenen carnaval divertirt hatt. Zu Hannover macht
man sich braff lustig. Gott gebe, daß es lange weren möge
undt erhalte sie alle bey gutter gesundtheit! Ich bin woll Ewerer
meinung, liebe Amellisse, daß man der divertissementen woll
entberen kan, wen man nur seine zeit ohne verdruß undt ruhig
passiren kan; allein in dießer weldt gehts nicht so gladt ab, der
verdruß kompt undt findt sich offter undt eher, alß die freüde. Ihr
würdet einen gutten prediger sein, liebe Amelisse! Den alles, waß
Ihr da sagt, ist eben so gutt alß eine fastenpredig, undt da schlaff
ich nicht bey, wie bey alle andere predigen hir; den man geht hir
eine halbe stundt nach dem eßen in die predig, kan mich also
ohnmöglich deß schlaffens enthalten, undt es ist keine eintzige
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predig, wo ich nicht in schlaffe; heütte noch habe ich so
geschlaffen, daß mir [der] kopff davon schwindelt. Hir findt man gar
wenig weibsleütte, so nicht von natur coquet sein, undt ist es recht
rar, wen man eine findt, so es nicht ist. Vor gott mag es woll
schlim sein, aber vor der weldt ist es lustiger, daß ist gewiß. Die
coquetten flattiren sich, weillen man in der heylligen schriefft findt,
daß unßer herr Christus so viellen von ihren gattungen gnädig
geweßen, daß er sich ihrer schwachheit auch erbarmen wirdt, alß
nehmblich der Marie Magdelaine, der Samaritin, dem weib, so im
ehebruch begriffen war; daß flatirte sie. Ihr meindt, Ihr würdet
der coquetterie baldt müde werden; allein ich habe ahn viellen
hören sagen, daß wer einmahl verliebt geweßen ist, kan sonst kein
spaß mehr ohne den leyden undt daß mans nie müde wirdt. Wie
ich sehe, so ist Ewer humor jalous, liebe Amelisse! Wolte Eüch
also nicht rahten, coquet zu sein; Ihr müstet zu große qual
außstehen. Der gutte Bernstein ist gantz wider getröst. Ich kene den
hertzog von Saxsen-Meiningen woll. Er hatt sich eine zeitlang hir
auffgehalten, er gefiel mir nicht, er war zu complimentisch. Ich
muß heütte noch 4 brieff schreiben ahn dem könig undt die königin
in Spanien, ahn mein dochter undt ahn die kleine Rotzenhaussen,
damitt sie dießes paquet woll bestehlt. Es ist jetzt eine große
freüdt in Lotheringen, daß mein dochter, gott seye lob undt danck,
einen printzen bekommen; bin versichert, daß Ihr Eüch auch
deßwegen mitt mir erfrewet. Adieu, liebe Amellisse! Seydt versichert,
daß ich Eüch biß ahn mein endt wie auch Louisse recht lieb
behalte!