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Brief vom 18. April 1705

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Amalie Elisabeth zu Pfalz


242.


[387]

A mad. Amelie Elisabeth, raugräffin zu Pfaltz, a Hannover.

Marly den 18 April 1705.
Hertzliebe Amellisse, heütte morgen habe ich Ewer wehrtes schreiben vom 7 dießes monts zu recht entpfangen, will gleich wider drauff andtwortten; den morgen mögte ich woll der zeit nicht haben; den alle sontag habe ich 6 große brieff zu schreiben, ahn ma tante, die fraw churfürstin, ahn die königin in Spanien, ahn mein dochter, ahn eine von ihren damens undt zwey brieff nach Paris ahn 2 von meinen gutten freündinen dort; also ist es ahm sichersten, heütte zu schreiben, da ich sonsten weniger zu schreiben habe. Ihr werdet, liebe Amellisse, schon wen dießer brieff ahnkommen wirdt, von ma tante erfahren haben, warumb wir nun [388] hir zu Marly sein undt wie der arme kleine duc de Bretagne vergangenen montag gestorben ist. Ich glaube vestiglich, die docktoren haben daß arme printzien mitt ihrem emetique undt aderlaß umß leben bracht. Daß will man aber hir nicht glauben, drumb laß ich jederman in seine meinung undt bleibe bey der meine. Es ist aber auch einmahl zeit, daß ich auff Ewer schreiben komme. O nein, liebe Amelisse, Ewer letzt papir war nicht von einer extraordinari form, contrarie, es ist gar recht; bin Eüch sehr verobligirt, daß Ihr Eüch erfrewet undt gott dancket, daß ich wider gesundt bin. In der bibel zu leßen, da fele ich nie ahn, laße gestern den 54 undt 55 psalm, daß 14 undt 15 capittel in sanct Matheus undt daß 3 undt 4te capittl in sanct Johanes; den ich müste vor heütte undt morgen leßen, den heütte hette ichs nicht gekönt; den wir haben morgendts den hirsch gejagt. Daß man die reformirten hir im landt übel tractirt hatt, apropire ich nicht, allein man sicht woll, daß die politic allein schuldig dran ist. Aber dießes alles seindt materien, die gutt teste a teste sein, aber in postbrieffen deücht es nichts; will derowegen Ewerm gutten exempel folgen undt von waß anderst reden. Der printz de Maubec hatt nur die angst vor die blattern gehabt, es ist aber nichts drauß worden undt ist wider frisch undt gesundt. Waß ihm weitter geschehen wirdt, solle die zeit lehren. Die generals undt officirer fangen auch ahn, hir weg zu ziehen. Der duc de Vandosme hatt nun Verüe einbekommen, hatt sich auff discretion ergeben. Ich muß lachen über daß liedt, so Ihr cittirt. Wer kan Eüch daß gelernt haben? Daß jubillee hatt noch nicht alle abbés bekehrt; man mögte zu Paris noch woll ettliche finden, so sich vor den damen schicken. Daß habe ich mein leben nicht begreiffen können, wie man verliebt von geistlichen leütten sein kan. Weder Ewer schwester noch Ihr habt gar die reputation nicht, coquet zu sein. Daß Ihr nicht dissimulliren könt, liebe Amellisse, da könte ich woll sagen: Je reconois mon sang. Daß habe ich auch nie lehrnen können, ob es mir zwar woll hoch nohtig gewest were in dießem landt, da man gar wenig sinceritet findt. Waß mich hir ahn freündtschafft zu machen verhindert, ist, daß man schir keine mitt jemandts hir haben [kann], daß man nicht gleich sage, man seye verliebt in Eüch oder Ihr seydt verliebt in jemandts. Daß hatt mich alle commerce brechen machen undt habe gar keine freünde mehr, bringe mein leben [389] einsahm, zimblich langweillig, aber doch in ruhen zu. Ich sehe, daß Ihr von der opinion seydt, wie man im opera von Alceste singt:
Je n’ay point de choix a faire.
Songeons a aimer et a plaire
et vivons toujours en paix!
L’hymen destruit la tendresse,
il rend l’amour sans attraix.
Voulles vous aimer sans cesse,
amants, n’espousses jamais!
Voules vous aimer sans cesse,
amants, amants, n’espousses jamais!
Undt ein cavalier, so vor ein jahr gestorben, sagte alß: Quel amour qu’on puisse avoir, dais qu’on entre au lit d’himen, l’amour sort du coeur. Da segt Ihr, liebe Amelise, daß Ihr nicht allein von Ewer opinion seydt. Ich weiß nur gar zu woll, wie silancieux mein vetter, der churfürst von Braunsweig, ist; den ich habe die experientz davon, habe I. L. nie nichts außpreßen können, sprach mitt niemandts hir, alß immer mitt monsieur Wey. Ich werde nicht manquiren, morgen ahn ma tante zu rühmen, wie content Ihr vom churfürsten, ihren herrn sohn, seydt. Es muß aber Ewer selbst wegen sein, daß dießer herr mitt Eüch gesprochen; den mitt mir selber hatt er ja nie sprechen wollen, wie I. L. hir wahren. Es ist kein wunder, daß ich Eüch undt Amelisse lieber habe, alß der churfürst Eüch hatt; Ihr seydt mir näher undt über daß so seydt Ihr ja in Ewern kindtsjahren bey mir erzogen, daß macht auch noch viel dazu. Seydt versichert, daß ich Eüch undt Louisse recht lieb habe! undt ambrassire Eüch beyde von hertzen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. April 1705 von Elisabeth Charlotte an Amalie Elisabeth zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 1 (1867), S. 387–389
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d01b0242.html
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