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Brief vom 29. Juni 1709

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


427.


[112]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Heydelberg.

Marly den 29 Juni 1709.
Hertzliebe Louisse, hiemitt werde ich, ehe wir von hir gehen, noch auff Ewern lieben lieben brieff vom 15 dießes mondts andtworten, so ich letzt verwichen sontag entpfangen. Hinfüro, wen wir wieder zu Versaille sein werden, werde ich sie sambstag bekommen; den Ewer schreiben, liebe Louisse, gehen nun gar richtig. Ich kan nicht begreiffen, warumb die meinen so unrichtig gehen. Von meinem krampff will ich nichts mehr sagen, alß daß ma tante, unßere liebe churfürstin, mir sehnen von ellendts füß[1] geschickt, so mir gar woll bekommen. Ich fürchte, daß Amelise ein fievre [113] lente bekommen wirdt, daß sie alle tag so ein klein fiebergen hatt, undt die sein schweren die[2] couriren, alß die stärckste undt hitzige fieber. Nun man gesehen, wie viel waß[3] von Amelisse gangen, ist sich nicht mehr über ihrem kurtzen ahtem zu verwundern. Ob dieße kranckheit zwar gefährlich, ist es doch nicht incurabel, undt weillen Amelisse noch jung undt starck ist, wirdt sie sich, ob gott will, woll herauß reißen können. Kranck sein undt krancken hütten ist daß ellentste leben von der weldt. Ihr müst meine brieffe nicht alle entpfangen; den ich hatte Eüch meine vettern de la Trimoüille todt mitt allen umbstanden beschrieben. Die docktoren haben ihm zehn mal zur ader gelaßen, so erschrecklich, daß, wie man ihn geöffnet, hatt man kein andere ursach deß todts in ihm gefunden, alß daß er keinen tropffen bludt mehr in den adern gehabt.[4] Vor 2 jahren hatt derselbe docktor dießes herrn gemahlin auch so hingericht. Es ist unbeschreiblich, wie viel leütte von kundtschafft undt vom hoff seyder ein jahr her hir im landt gestorben sein. Mitt den barbarischen propossitionen vom frieden, so man unßerm könig gethan, konte es ohnmoglich frieden werden,[5] welches mir sehr leydt ist. Ich glaube, unßer herrgott will, daß diß große werck allein von seiner handt kommen solle; von deren müßen wirs erwartten. Wie ich sehe, so machen sich die bürgersöhn zu Heydelberg sehr meüsich. Hette Ewer haußhalter nicht die barmhertzigkeit gehabt, den studenten einzunehmen, würde ers mitt dem leben bezahlt haben. Ihr habt groß recht, es nicht bey der sach zu laßen undt die insolentz abzustrafen laßen; den solche bursch solten Ewer hauß respectiren, drumb ist es gutt Ihnen zu lehrnen. Ich hoffe, daß Amelise baldt wider zu recht wirdt kommen, daß Ihr baldt wider werdt nach Hannover können kommen. Wie mir ma tante die freüllen Pelnitz beschreibt, muß sie von gar gutter geselschafft sein. Hir sicht man nun nichts, alß trawerige leütte, undt hort von nichts, alß trawerige sachen, so dem miltz gar ungesundt sein, aber man muß sich woll in alles ergeben, waß unß gott der allmachtige zuschickt. Ich laß gott walten undt erwarte der zeit. Es wirdt mir doch nichts geschehen, alß waß der almächtige über mich vorsehen hatt, bleibe also in ruhe. Man [114] rufft mich in kirch, muß also schließen undt vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch undt Amelisse von hertzen ambrassire undt lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 29. Juni 1709 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 112–114
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0427.html
Änderungsstand:
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