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A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Ghör.
Versaille den 19 October 1718.
Hertzallerliebe Louise, gestern hab ich Ewer liebes schreiben
von 8 [empfangen], bin woll von hertzen erschrocken, darauß zu
sehen, daß ma tante, unßere liebe churfürstin, wider so einen
hartten strauß außgestanden; den wie sie mir selber sagen, so seindt
sie oben undt unten gangen. Aber waß mich noch ahm meisten
ängstet, ist, wen ich dencke, daß ma tante 4 tag nach ihrer
kranckheit so in relais reißen solle; ich gestehe, daß mich daß zittern
macht. Mich verlangt woll erschrecklich, biß ich erfahre, wie dieße
reiß abgeloffen. Gott gebe sein segen dazu, daß ich nichts bößes
vernehmen mag! Ihr habt gar woll gethan, weillen Ihr gemeindt,
daß die bagatellen, so ich Eüch vor ma tante geschickt, I. L.
erfrewen konten, solches zu geben. Ich bin recht fro, daß es I. L.
ahngenehm geweßen; über diß können sie kein scrupel haben, daß
daß pressent zu magnifiq seye, den daß ringelgen ist gar klein
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undt daß schachtelgen sehr simpel; daß eine hatt nur die meritten,
daß es waß rares ist, undt daß schachtelgen, daß es woll gearbeitet
ist. Wen man mir waß schönnes undt magnifiques geben solte,
würde es mich nicht so sehr erfrewen, alß daß dieße bagatellen
ma tante ein wenig erfrewet haben undt daß sie es nicht vorher
gesehen, also waß neües war. Ich erfrewe mich auch mitt Eüch,
liebe Louisse, daß Ewer neveu wider gesundt ist, undt wünsche
von hertzen, daß unßer herrgott Eüch lang jahren erhalten wirdt
undt Ihr seine ariere-neveux sehen möget. Ich dencke, weillen Ihr
so tendre vor Eweren neveu seydt, waß were es den geweßen,
wen Ihr Eüch geheüraht, hettet man undt kinder bekommen? so
wehret
[1] Ihr vor sorgen gestorben sein. Ich muß noch vor dem
eßen ein brieff nach Paris schreiben, kan also vor dießmahl nichts
mehr sagen, alß daß ich Eüch von hertzen lieb behalte undt all
mein leben behalten werde.