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Brief vom 20. Oktober 1717

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


858.


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St Clou den 20 October 1717, umb halb 9 abendts (N. 14).
Hertzallerliebe Louisse, ich fange heütte ahn, auff Ewer liebes schreiben vom 5 dießes monts, so ich vergangen donnerstag entpfangen habe, zu andtwortten, undt morgen, ehe ich nach Paris fahren, werde ich dießen brieff außschreiben. Mein gott, liebe Louisse, wer kan die naredey erfunden haben, die die printzes von Wallis mir geschrieben? Ich bin weydt von dießem glück, liebe Louisse, undt wen diß geschehen solte, wolte ich ahn miracle glauben. Gott ist alles möglich, daß ist gewiß, aber wir seindts offt nicht wehrt, daß unß gott so große gnaden thut. Meine dochter macht mich hoffen, daß sie dießen zukünftigen Januarie herkommen solle; aber ich werde es nicht glauben, biß ichs sehen werde, den der hertzog hatt einen favoritten, den man von seiner maittresse, der bestilt seinen herrn gottsjämmerlich undt fürcht, daß man den hir von ihm desabussiren wirdt undt begreiffen machen, wie der [106] leichtfertige Craon ihn mitt seinem weib gewehern[1] lest, ihn nur zu bedrügen undt zu bestehlen. Aber da rufft man unß zur taffel. Adieu biß morgen früh!
Donnerstag umb halb 7 morgendts, den 21 October.
Eine groß nohtwendigkeit hatt mich auß dem bett getriben, undt weillen ich doch willens war, umb 7 mich hieher zu setzen, also habe ich mich umb kein halb stündtgen wider niederlegen wollen. Ich bin doch gestern gar frühe schlaffen gangen, war vor halb 11 in mein bett, also mehr, alß 7 stundt, gelegen, bin ordinari nie so lang zu bett gelegen; den mein ordinarie war, so lang ich in Franckreich bin, nach 1 zu bett zu gehen den gantzen sommer. 2 mahl die woch, alß sontags undt donnerstag, bin ich umb 8 auffgestanden, deß montags undt freytags gar offt umb 5 auffgestanden, umb auff die jagt zu fahren, auch woll gar umb 4 auffgestandten undt wahren umb 6 in kutsch. Also segt Ihr woll, liebe Louisse, daß ich lang im bett zu liegen gar nicht gewohnt bin; ich habe auch verspürt, daß, wen ich über 8 stundt im bett liege, thut mir der kopff wehe undt wirdt mir daußellich; die gewohnheit ist die zweytte natur. Es ist aber auch zeit, daß ich wider auff Ewr lieben schreiben komme, wo ich gestern abendts geblieben war. Es ist gewiß, daß die printzes von Wallis in einem standt ist, wo mir recht bang vor I. L. ist, insonderheit seyden den hartten puff, so sie bey madame de Chosberug[2] außgestanden, wovon Ihr, liebe Louise, woll werdt gehört haben; den ob die printzes zwar nicht gleich davon ins kindtbett kommen, so hatt doch daß kindt in mutterleib schaden davon bekommen können, undt daß macht mich bang, daß es übel ablauffen kan. Gott bewahr unß gnadiglich davor undt gebe der printzes ein glücklich kindtbett! Daß sie gehertzt ist undt den todt nicht forcht, scheindt woll auß allen ihren discoursen, thun undt laßen. Wo habt Ihr, liebe Louisse, gelehrnt mitt weibern im kindtbett umbzugehen? Den ich glaube nicht, daß Ihr bey viellen geweßen seydt, umb Eüch bey Ewere niepce, die gräffin von Degenfelt, in der zeit zu wünschen; aber es kommen ja eben so viel kinder auff die weldt in Engellandt, alß ahn andern örtern, undt Ihr seydt der mühe endthoben, eine person, die Ihr wie Ewer leiblich kindt [107] liebt, leyden zu sehen, welches eine betrübte sach ist. Der graff von Degenfelt halt vielleicht mein contrefait bey der printzes von Wallis gesehehn,[3] daß hatt ihn konnen von mir treümen machen. Meine hoffmeisterin, so Ihr gesehen, wie Ihr noch gar klein wahret, wan ich wolte, daß sie mir einen traum außlegen solte, sie sprach immer frantzösch, konte kein Hochteütsch, undt wen ich zu ihr sagte: Ma chere madame Trelong, expliques moy ce reve! il est extraordinaire, so andtwortete sie mir: Songes sont mensonge, mais chiés dans vostre lit! vous le trouveres sans fautte. Ich habe offt treüme doll inventirt, umb ihr dieße andtwort zu sagen machen, welche monsieur Polier s. sehr übel fandt, sagte, es würde mich gewohnen, grob undt schmutzig zu andtwortten. Sie haben offt disputten mitt einander gehabt, so mich recht divertirt haben; diß seindt aber alte geschichten. Wen Ewere neveu einmahl nach Teütschlandt in die Pfaltz gehet, glaube ich, daß durch Franckreich sein kürtzter weg ist; aber ob ich, die ich nun schon gar alt bin, alßden noch im leben sein werde, stehet dahin, liebe Louise! Ob ich zwar jetzt gar woll bin undt nirgendts wehe entpfinde, so will mich doch mein dockter, monsieur Teray, biß sambstag medecin geben, welches mich recht betrübt; den ich haße alle remedien, wie den teüffel, undt mitt remedien zu leben, ist kein leben mehr. Daß ich Eüch allezeit lieb haben werde, ist woll gewiß, liebe Louissen! Ich kan Eüch sagen, wie in Athis[4] steht: Le sang et l’amitie nous unissent tout deux. Eüere teütsche kinder werde ich so woll entpfangen, wen sie herkommen werden, alß der graff Degenfelt getreümbt hatt. Soltet Ihr einmahl herkommen, bin ich gewiß, daß es Eüch hir nicht gefallen solte. Die desbauche geht überall zu sehr im schwang undt die falschheit; der psalm hatt woll groß recht, so sagt, daß wir alle schwache menschen seindt undt unß viel vergebliche sorgen machen. Die printzes von Wallis hatt mir der hertzogin von Eissennach todt noch nicht geschrieben, so eine pietistin geweßen. Dieße secte were meine sach gar nicht. Die hertzogin von Hannover schreibt mir, [daß] Langallerie gar gewiß hungers gestorben, ist 21 tag geweßen, ohne zu eßen oder zu drincken, hatt sich auch im sterben seine seel nicht ahn unßerm herrgott befohlen, sondern, wie er gefühlt, daß es ahn dem war, [108] daß er sterben solte, hatt er seiner frawen contr[e]fait genohmen undt mitt solcher tendresse dießem contrefait zugesprochen, daß er alle umstehende hatt weinen machen. Daß ist doch ein ellender todt undt daß objet meritirt es nicht, ist ihm zu untreü, auch zu heßlich, eine solche passion zu erwecken. Man hatt ihn enger eingespert undt niemandts mehr sehen laßen, da ist seine verzweyfflung von kommen; aber er hatt es woll verdint, daß man ihn so tractirt, hatt, alß der keyßer unter seinem gefangnuß vorbeygefahren, ein cammerpott voll wüsterey auff keyßers kutsch geschütt; daß hatt dem keyßer so verdroßen, daß er in, wie billig war, hatt beßer einsperen laßen. Mich jammert er doch wegen der alten kundtschafft; ich habe ihn gekendt, daß er gar kein wahr[5] war. Die jalousie hatt daß, sie attaquirt daß hirn starck. Ich habe hir eine fraw gekendt, so vor jalousie von ihrem man auß betrübtnuß, daß [man] ihre zwey brüder assasinirt hatt, so sie sehr lieb hatte, assasinirt hatt, gantz von sinen kommen. Sie konte gar woll auff der quitare spillen, undt wan sie wie eine fourie war, gab man ihre eine quittarie; wen sie ahnfing, zu accordiren undt zu spillen, würde sie wider raisonable. Langallerie hatt sich hir mitt dem minister brouillirt, hatt ein buch im truck geben, umb zu beweißen, daß der ministre de la guerre den konig bestollen hette, war darnach sehr verwundert, daß selbiger andere ihm vorzog undt ihn nicht, wie er es pretendirte, avancirt. Darauff nahm er seinen abschidt undt ging zum keyßer; daß gereühet ihn hernach, wolte wider kommen, man wolte ihn nicht ahnnehmen. Daß alles hatt ihm den hirnkasten verrückt. Ich fürcht, daß mein vetter printz Wilhelm nicht gar glücklich in seinem ehestandt sein; die gemahlin solle einen dollen kopff haben. Die graffin von Hannaw solle gar reich sein undt hatt gutte alliancen, were nicht schlim geweßen. Hiemitt ist Ewer liebes schreibe[n] vollig beantworten[6] undt da schlegt es eben 9 uhr. Ich muß mich ahnthun undt nach Paris. Adieu den, Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch all mein leben recht lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 20. Oktober 1717 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 105–108
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0858.html
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