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Brief vom 6. März 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


895.


[198]

A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.

Paris den 6 Mertz 1718, umb 8 morgendts (N. 57).
Hertzallerliebe Louisse, mein husten ist wie ein 3tagig fieber, habe alß eine nacht beßer, alß die ander; die gesterige war die gutte, dieße ist die schlime geweßen, hab nicht 4 stundt geschlaffen, ob ich zwar 9 stundt, weniger ein viertel, im bett gelegen. Dießer [199] husten muß sich woll bey mir befinden, kan ihn nicht quit werden, bin ihn doch sehr müde. Übermorgen wirdt es 15 tag sein, daß er mir weder nacht, noch tag ruhe lest; gott weiß, wie lang es noch wehren wirdt. Aber es ist auch einmahl zeit, daß ich auff Ewer liebes komme, wo ich vergangen donnerstag geblieben war, nehmblich ahn daß vom 19 Februari, no 15. Daß wetter ist hir nur gar zu warm; ich fürchte, daß alles außschlagen wirdt undt hernach ein frost kommen, so alles verderben wirdt. Durch meine brieffe, liebe Louisse, werdet Ihr nur gar zu böße zeittungen auß Englandt bekommen. Die arme gutte printzes ist woll zu beklagen. Bey I. L. trifft daß sprichwordt woll ein, daß nie kein unglück allein kompt. Es muß etwaß hinter dießer sach stecken, so niemandt weiß. Zu Paris, wo man leicht romanissirt,[1] will man, daß der konig seinen h. sohn so hast undt der printzessin so zuwieder ist, weillen er die printzes selber zu lieb hatt undt sie ihm kein gehör hatt geben wollen. Diß kan ich nicht glauben, den ich halte den könig vor gar keine verliebten complexion undt glaube, daß er nichts liebt, alß sich selber undt seine eygene grandeur. Die princes soutenirt, daß ihr herr gleich zum creütz gekrochen ist undt alle möglichste soumission. Waß will den der konig auch mehr haben? Unßer herrgott begehrt ja nicht mehr, alß daß man man seine sünde erkendt, sie bereütt undt umb verzeyung bitt. Ich fürcht, der konig in Englandt wirdt sich selber nicht beßer dabey befinden wirdt, der Englander sin zu folgen undt sich von seinem herrn sohn zu trenen; den daß ist nur capabel, mehr factionen zu machen. Daß Ihr mir von der heydelbergischen cammer sprecht, erinert mich, daß ein brieff ahn Churpfaltz zu beantworten habe, welches ich sonst vergeßen hette; will mitt Ewerm brieff eine pausse machen, umb dießen zu schreiben. Da ist mein brieff gemacht, gott lob! Ich habe gedacht, daß, weillen Churpfaltz jetzt so gar freündtlich mitt mir, ob es Eüch vielleicht nutzen konte, liebe Louissen, wen ich eine vorsprach vor Eüch thete; drumb habe ichs gewagt undt habe ein P. S. gemacht, wie Ihr auff der andern seytten sehen werdet. P. S.
Die raugraffin, so ich sehr lieb habe, rümbt mir alß E. L. [200] gnaden, wovor ich E. L. sehr verobligirt bin; aber die cammer zu Heydelberg helt sie ein wenig lang auff. Sie ist ja nur die eintzige vom gantzem geschlegt, so noch überig ist undt nicht mehr jung, wirdt also E. L. nicht lang beschwehrlich sein können, bitte E. L. also gehorsambst, sich dießer armen raugraffin zu erbarmen undt zu befehlen, daß ihre sach außgemacht mag werden.
Man kan von dießem sagen: Badts[2] nicht, so schadts nicht. Aber ich habe es geschrieben, umb mir nicht vorzuwerffen können, daß es vielleicht geholffen hette, wen ich eine vorsprach gethan hette. Ich kene den fürsten von Ussingen, so gestorben. Er ist ein jahr hir geweßen, ein thum, gutt kindt; aber man kan keinen kurtzern verstandt haben, alß er hatt. Ich habe mein bestes gethan, ihn auffzumuntern wegen seines gutten, ehrlichen herrn vatters wegen, so vor dießem mein gutter freündt geweßen; aber all mein mühe war umbsonst, kan nicht begreiffen, wie seine gemahlin ihn hatt lieb haben können. Er kunt 3 stundt in einer cammer stehen, ohne kein wordt zu [sprechen]. In dießem augen[blick] bringt man mir Ewer liebes schreiben vom 22, auff welches ich gleich andtwortten werde. Mein dochter comport[iert] sich[3] so woll hir, daß ich ihr weder raht, noch wahrnung zu geben habe, gott lob! Aber sie ist woll verwundert von alles, waß sie hir hört undt sicht. Biß freytag über 8 tag werden sie wider weg, worauff mir daß hertz schon wider ahnfengt schwer zu werden. Die welt ist woll abscheülich verderbt. Aber ich muß mich ahnziehen. Nach dem opera werde ich noch ein par wort sagen, aber nicht vollendts andtwortten.
Umb 9 abendt, sontag, den 6 Mertz.
Mein dockter, der woll weiß, daß mir die frische, sanffte luff[t] gutt ist, hatt mich dießen nachmittag spatziren fahren machen. So lang ich in der lufft geweßen, habe ich nicht gehust, aber im opera ist mir wider ein starcker schuß ahnkomen. Nun muß ich zu nacht eßen. Adieu, liebe Louisse! Seydt versichert, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 6. März 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 198–200
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0895.html
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