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St Clou den 28 April 1718, umb ein viertel auff 10 morgendts (N. 71).
Hertzallerliebe Louise, gestern abendts, nachdem ich bin gestern
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abendts herkommen, nachdem ich mitt meinen sohn undt enckelen
die commedien von Heraclius[1] undt les 3 freres riveaux[2] gesehen,
bin umb halb 8 weg undt umb ein 1/4 auff 10 hir ahnkommen.
Ehe ich von Paris, hatt man mir Ewer liebes schreiben vom 16
dießes monts April gebracht, no 31. Ehe ich drauff andtwortte,
will ich Euch noch sagen; liebe Louise, daß gestern, wie wir …
haben wir eine abscheüliche feüerbrunst in der statt gesehen, so die
gantze nacht gewehrt undt noch raucht. 25 heüßer sollen glat
abgebrent sein. Ihr könt leicht gedencken, welch ein abscheülich fewer
es geweßen, wie leicht zu erachten. Die arme leütte jamern
mich von hertzen. Es solle durch ein schiff mitt heü ahngangen
sein. Aber genung von dießem unglück! Ich komme auff Ewer
liebes schreiben; bin fro, daß die brieffe richtig gehen; ich werde
Eüch gewiß keine fehlen laßen undt keine post verseümen. Es ist
nur zu viel neues undt betrübtes auß Englandts. Ich habe gestern
brieff von der printzes von Wallis bekommen vom 21/10 dießes
monts. Man hatt die freüllen Gemingen[3] von den printzessinen
gethan. Der könig in Englandt hatt ihr sagen laßen, er were
content von ihr; aber die printzes hatt dem könig gar ein soumissen
brieff geschriben, der konig aber hatt der printzes gar hart
geantwort, nehmblich daß es ihrer bößen conduitten schuldt seye. Man
wirdt den könig außlachen, wen er solche discoursen … den der
printzes reputation undt conduitte ist gar zu woll establirt, umb
daß man ihm glauben würde. Ich kan den könig nicht begreiffen;
ich glaube, die Englander verth[r]ehen ihm den kopff sambt dem hirn.
Gott wolle der printzessin beystehen! Ich bin nicht von denen, so
nicht gern abschiedt [nehmen]. Leütte, so ich lieb habe, sehe ich
gern, so lang es mir möglich ist, halte es vor keine ceremonie,
würde es ihnen nicht verziehen haben, wen sie ohne
abschiedtnehmen weggereist weren. Die Rotzenheusserin ist zu Luneville. Ich
glaube, wir werden sie auff allerspätst biß dinstag bir haben. Man
muß ahn ihrer handt so gewondt sein, alß ich bin, umb es zu
leßen können. Sie schreibt allezeit possirlich, aber sie kan die
ortograff gar [nicht], man muß sich gefast [machen], daß überall,
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wo ein p solle sein, setzt sie ein b, undt noch andere bu[ch]staben
versetzt sie; ich leße es aber auß gewohnheit, alß wens gedruckt
were. Man stirbt doch nicht allezeit von der lungensucht.
Meißenbuch,[4] der I. G. mein fraw mutter s. hoffmeister war, hatt doch
mitt dießer kranckheit über die 80 jahr gelebt. Der docktor
Nebel,[5] so den armen Veningen unterfangen, ist es deß Nebels sohn,
so zu meiner zeit hoffapotecker war undt einen schönnen
obsgartten hatte in der statt? Daß ist eine dolle art, die leütte zu
persuadiren, von glauben zu endern, mitt brügelsupen;[6] wen man
tragoner geschickt hette, würde es nicht anderst gehen, wie monsieur
de Louvoy es hir im landt gemacht.[7] Waß Chur-Maintz sagt, finde
ich sehr raisonnable. Den landtgraff von Darmstatt finde ich
recht gescheydt, seine uneinigkeit mitt seinem herrn sohn gestilt zu
haben undt niemandts dazwischen gelegt. Ich habe Eüch nichts
auff des abbé de Bouquoy brieff geantwort, weillen ich ihn nicht
geleßen. Narn seindt mir unerträglich. Aber er hatt mich nicht
zu fragen, ob er nach Lotteringen darff oder nicht; den da haben
wir hir nichts mitt [zu sprechen]. Der hertzog ist ein souverain,
der kan in seinem landt kommen laßen, wen er will. Ich glaube
nicht, daß es war ist, daß mein sohn stoffen ahn die printzessinen
geschickt. Ich glaub, er hette es mir gesagt, ich habe aber kein
wordt davon [gehört]. Champagner wein mag es[8] woll geschickt
[haben]; der könig in Englandt hatt ihm auch viel wein geschickt,
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also konte diß woll sein. Die Kiehlmanseck schlegt nicht auß der
art, wie ich sehe. Waß thut sie aber nun in Englandt, da ihr man
todt ist? Wo ist ihr doller bruder nun? Hatt er dem könig in
Englandt gefolgt? Der churfürst zu Pfaltz hatte mir sehr
versprochen, kein cantzeley-schreiben mehr zu schicken; jedoch hatt er
es wider gethan. Herr Zachman undt seine liebste habe ich offt
zu Paris gesehen, noch gestern morgen; hette ich Ewer schreiben
[gestern] morgen bekommen, würde ich ihn gefragt haben, warumb
er Eüch nicht andtworte. Ihr werdt mich Ewer leben nicht
zuwider finden in waß Eüch ahngehen kan, daß könt Ihr woll
versichert sein, liebe Louisse! Wünschen ist eine art von reden, man
kan ja nicht anderst seinen gutten willen erweißen. Ich kan nicht
begreiffen, wer die merger des fées[9] muß gemacht haben. Ich hin
leyder von denen leütten, von welchen man weder viel guts, noch
viel bößes sagen kan. Ich bin in gutter gesundtheit, gott lob, allein,
unter unß gerett, zimlich gritlich von viel verdrießlichen sachen,
so man hört undt sicht, so aber der post nicht zu vertrawen ist
auß viellen ursa[c]hen. Ich hoffe, die hießige ruhe wirdt mich wider
ersetzen. Ich bin fro, daß Eüch die pomade divine woll bekompt.
Wen Ihr mehr von nohten habt, kont Ihr mirs nur sagen, so werde
ich mehr schicken. Ich kan nichts begreiffen von der kunst mitt
den chiffren, wie daß ein discours kan geben. Daß getruckte will
niemandts zu Paris glauben, daß perpetu[u]m mobile möglich seye.
Solten von den ferngläßer, so so raffinirt sein, zu Franckforth fehl[10]
sein, bitte ich, kaufft mir eins undt schreibt, waß es kost! ich will
Eüch daß gelt gleich schicken. Oder thut ein anderst, informirt
Eüch, waß es kost! so kan ich Eüch daß gelt gleich schicken undt
Ihr kont es mir kauffen undt schicken. Hirmitt ist Ewer liebes
schreiben vollig beantwortet, werde derowegen vor dießmahl nichts
mehr sagen, alß daß ich Eüch zu St Clou ebenso von hertzen lieb
behalte, alß zu Paris.
Ah! ich muß noch sagen, daß ich den verengerten pasport ahn madame Dangeau schicke, den die demoisselle de Champagne ist ihres mans nahe baß.
Ah! ich muß noch sagen, daß ich den verengerten pasport ahn madame Dangeau schicke, den die demoisselle de Champagne ist ihres mans nahe baß.