[282]
A mad. Louise, raugräffin zu Pfaltz, a Franckfort.
St Clou, pfingstsontag, den 5 Juni 1718 (N. 82).
Hertzallerliebe Louise, wie ich eben in kirch gangen, hatt man
mir Ewer liebes schreiben vom 24 May gebracht, welches ich erst
habe leßen können, seyder wir wider auß der kirch sein. Ich hatte
auch mitt einem
[1] 3 andere bekommen, von der printzes von Wallis,
der gräffin von der Bückeburg undt der königin in Spanien, so zu
Bajonne ist, welche mich alle so lang auffgehalten zu leßen, daß es
mich biß jetzt geführt, da es schon nahe bey halb 5 ist. Heütte
morgen habe ich nicht schreiben können; den ich bin in der
pfarkirch zum h. abendtmahl undt 2 gantzer stundt in der kirch
geweßen. Werde heütte ohnmöglich auff alles andtwortten können;
den wen ich wider von der promenade werde kommen, muß ich
ahn mein dochter schreiben, von welcher ich gestern abendts auch
brieff bekommen. Der printzes von Wallis brieff setzt mich recht
in sorgen; sie hatt nicht gemeint, daß sie schwanger ist, undt hatt
auff einmahl ein böß kindtbett bekommen. Daß ist gefahrlich. Gott
wolle I. L. beystehen undt sie wider baldt gesundt machen! Ihr
werdet auß meinem letzten schreiben ersehen haben, daß ich von
der königin in Preussen selber erfahren, daß ihr herr wider gesundt
ist. Waß die frag ahnbelangt, so Ihr mir thut, ob frembten von
lutherische in kriegschargen hir kommen können, so leydt man
[283]
keine, alß im elsäschen
[2] regiement undt unter den Schweitzern;
sonst leydt man keine nirgendts undt werden noch dazu geplagt
undt selten befordert, sie endern den von religion. Da habe ich
bey daß p. s. vom Ewer liebes schreiben geantwort, liebe Louise,
nun komme ich ahn den ahnfang. Meine gesundtheit geht, gott
lob, noch immer gar woll, wünsche, daß die Eüerige eben so gutt
sein mag. Mein apetit ist noch nicht kommen, aber ich frage nicht
darnach; den hette ich hunger, müste ich davon abbrechen, undt
daß würde mich verdrießen, bin also lieber ohne apetit. Da komme
ich von der promenade; es ist gar schön wetter, weder warm, noch
kalt. Ich will Eüch noch ein viertelstündtgen enterteniren, daß
überige vor ein andermahl sparen, wo mir gott daß leben verleydt.
Ich zweyffle nicht, daß Ihr fro werdt geweßen sein, Ewere tante,
die fraw von Degenfelt, wider zu sehen. Aber wie ist ihre vissitte
so gar kurtz? Hette woll ein par tag bey Eüch bleiben [können],
Ihr thut ja ihren kindern guts genung dazu. Ich erinere mich noch,
wie ich ein kindt war undt nach Hannover reiste, daß ich nahe bey
Franckfort durch einen gar dunckeln waldt gefahr[e]n bin. Ich bilde
mir ein, daß es der ist, worinen Ihr der fraw von Degenfelt, herr
Max witib, daß geleydt geben habt. Ihr habt woll gethan, der
kühle in dem waldt zu erwartten. Ewer liebes schreiben, so ich
heütte entpfangen, ist vom 24 May, no 41. Aber es wirdt spät;
ich muß enden, umb noch ahn mein dochter zu schreiben, welche,
gott lob undt danck, nicht schwanger ist; ich bin von hertzen fro
drüber. Gleicht der herr von Degenfelt, der in meines vettern,
deß landtgraffen von Cassel, dinsten ist, herrn Max s., oder gleicht
ihm sein sohn, der graff in Englandt, mehr? Adieu, hertzliebe
Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt versichere, liebe
Louisse, daß ich Eüch all mein leben von hertzen lieb behalte.