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Brief vom 5. Januar 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


982.


[003]
Paris den 5 Januari 1719 (N. 43).
Hertzallerliebe Louise, ich glaube, ich habe Eüch den h. neüjahrstag geschrieben, wie daß ich zwey von Ewern lieben brieffen auff einmahl entpfangen von no 99 undt 100, bekommen, doch noch kurtz zuvor daß von no 98. Ihr könt woll gedencken, liebe Louisse, [004] daß ich heütte nicht auff alle 3 werde andtwortten können, sondern nur ahn die zwey frischten. Ich habe Eüch vor 8 tagen bericht, wie daß es heraußkommen, daß der duc undt die duchesse du Maine die uhrheber von der conspiration sein. Seyder dem hatt man noch etwaß erfahren, so den duc du Maine überweist. Man hatt ein brieff vom cardinal Alberoni ahn dießem duc gefunden, so ihm mitt dießen wortten schreibt: Dais[1] que la guere sera declarée, mettes le feu a touttes vos mines! Nichts ist deüttlicher; es seindt böße undt verfluchte leütte. Ach, da kompt man mir waß sagen, so mich jamert, nehmblich daß der könig in Schweden[2] in einem sturm geblieben ist[3]. Ich würde es mich doch gestrosten, wen mein vetter, der erbprintz von Cassel, könig in Schweden wern[4] solte. Er hatt gleich einen stillstandt mitt Denenmarck gemacht. Man hört nichts mehr, alß lautter unglück ahn allen ortten. Wen mein dochter so waß hört, sagt sie alß: Der jüngste tag wirdt gewiß baldt komen, undt kan sich recht mitt ängsten. Der spanische ambassadeur fragt wenig nach alles. Er ist nach hauß, wo man ihm vor alle seine boßheit danck wirdt wißen. Hette man meinem raht gefolgt, hette man dießen bößen man büßen machen. Aber ich muß eine pausse machen.
Donnerstag den 5 Januari, umb 6 uhren abendts.
Wie ich heütte ahn taffel bin, hatt man mir[5] Ewer liebes schreiben vom 24, no 101, zu recht entpfangen; habe woll gedacht, daß Eüch dieße abscheüliche conspiration vom duc du Maine gegen meinen sohn Eüch ärgern würde. Es seindt zwey teüffelger, so von zwey alte hexen[6] geführt werden undt 2 ertzschelmen unterhalten werden. Waß kan auß dießem allem guts kommen? Ich war so voller schrecken, alß ich Eüch, liebe Louisse, geschrieben, daß es woll kein wunder, daß ich daß schiffer vergeßen. Ich war so verbaßert, daß es kein wunder, daß ich meinen eygenen … Der duc undt duchesse haben in allen ortten hinschreiben laßen, sich weiß undt meinen sohn schwartz zu machen. Alles, waß die 6 personnen erdacht gegen mein sohn, ist nicht außzusprechen, ist gar [005] zu falsch undt boßhafft; undt madame d’Orleans undt madame la princesse seindt gantz verwundert, wie ich glauben kan, daß der duc du Maine undt seine gemahlin ahn waß übels gedacht haben. Es ist doch sonnenclar; ich gestehe, daß macht mich ungedultig. Es ist nicht zu erdencken, waß libellen sie in Paris undt in den provintzen gegen meinen armen sohn außgebreydt haben, auch in frembten ländern geschickt haben. Schlieben[7], so ein bößer mensch ist, hatt den armen teüffel, den Sandrasqui[8], verführt. Sandrasquis vatter war, alß er mir versichert, commandant zu Franckenthal geweßen, vergangen jahr gestorben. Die leütte, so meines sohns feindt sein, sein so erschrecklich boßhafft undt haben so einen großen anhang von allerhandt leütte, daß ich mühe habe, nicht in angsten zu sein. Mein armer sohn hatt leyder keine zeit, kranck zu sein, hatt sich also mitt dem kinkina[9] eyllen müßen, es auffzuhalten. Die docktoren leyden hir nicht, daß man daß meladie-Kindt-pulver[10] braucht. Die armen Heydelberger dauern mich, daß sie so geplagt werden. Daß kompt auff mein wordt von pfaffen her. Wen die den churfürst einnehmen, wirdt es ein groß unglück sein. Gott bewahr davor! Es wundert mich, daß Chur[p]faltz so wenig auff der königin in Spanien, sein[e]r fraw schwester klagten sicht, daß er den Steingens[11], von welchen I. M. so gar übel zufrieden sein, alß envoyes herschickt. Ich weiß gar woll, daß Ewer jüngste niepce eine dochter. Graff Degenfelt hatt mich zu gevatter gebetten. Ich habe noch nicht davor dancken [können]; den ich bin accablirt von brieffen, muß jetzt gleich mitt einen expressen courir, so mein dochter hergeschickt, andtwortten, kan also vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß ich Eüch recht von hertzen lieb habe undt behalte, liebe Louise!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. Januar 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 3–5
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b0982.html
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