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Brief vom 21. Dezember 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1185.


[369]
Paris den 21 December 1720 (N. 54).
Hertzallerliebe Louise, ich weiß nicht, ob ich heütte auff Ewere beyde liebe schreiben werde andtwortten können; den ich habe heütte gar viel zu thun. Gleich nach dem eßen werde ich au Val-de-Grâce, unßer abtißin von Chelle[s] adieu zu sagen, welche biß montag, alß übermorgen, wider in ihr closter wirdt. Hernach werde [370] ich zu unßer hertzogin von Hannover, umb zu sehen, wie sie sich nach ihrer aderlaß befindt; hernach werde ich wider her undt unßere junge printzessin in die ittalliensche commedie führen. Unßere arme kinder im hauß dörffen nicht ohne mich ins opera. Ich weiß nicht, waß vor eine fantesie madame la duchesse d’Orleans hirin hatt. Ich habe es meiner dochter nie gewehrt, mitt ihren hoffmeisterinen undt sonst gescheyde damen ins opera oder commedie zu gehen; daß seindt inocente sagen[1], so weder gott, noch menschen schaden können. Aber in allen andern sachen lest sie ihnen den zügel gantz schießen undt daß deücht gar nichts; aber es ist ihre sache. Last unß von waß anderst reden! Ich kome auff Ewer schreiben vom 30 November, no 94. Da sehe [ich], daß die post nun gantz resolvirt ist, Eüch allezeit meine schreiben, liebe Louise, 2 undt 2 auff einmahl zu geben; aber so sachen sein nicht zu endern, also nichts drauff zu sagen. Wen die post wolte, könten unßere brieffe allezeit in 7 tagen überkommen; aber daß gefelt ihnen nicht. Von meinem husten undt schnupen werde ich nichts mehr sagen; daß ist, gott lob, vorbey; werde hir zu Paris woll baldt wider einen bekommen; den Paris ist mir gar nicht gesundt[2], entpfinde es mehr, alß ichs mir mercken laßen, den ich muß woll hir sein, also nur gedult haben. Alle nacht regnets. Ich fürchte, das daß so gar samffte undt warme wetter wir[d] thewer bezahlt undt eingedrenckt wirdt werden undt daß gegen Ostern alles verfrieren wirdt; undt ein schlim jahr hatt man gar nicht von nöhten, alles ist ellendt genung ohne daß. Daß macht, daß alles trawerig undt langweillig ist; den alle menschen klagen hir, dießer den verlust seines gelts, jenner sein[e]r gesundtheit. Suma, man hört nichts, alß klagen überall, undt nichts ist langweilliger. Daß ist schlimmer vor daß miltz, alß daß wetter. Ihr führt ein gar zu langweilliges leben, umb nicht ein wenig miltzsüchtig zu werden. Waß solle ich Eüch sagen? Ewer leben ist gutt vor den himmel, aber vor die welt undt die gesundtheit deücht es gantz undt gar nicht. Ich glaube woll, daß Ihr nicht ohne ursach trawerig seydt, liebe Louise! Aber wen man ein wenig miltzsüchtig ist, so macht es, daß einem die trawerige sachen noch viel traweriger vorkommen. [371]
Sambstag, den 21 December, umb 7 abendts.
In dießem augenblick komme ich auß der ittallienschen commedie, welche ich in der helffte mitt recht betrübten hertzen quittirt habe; den man ist mir sagen kommen, daß unßere großhertzogin auff den todt ligt[3]. Ich bin noch vorgestern bey I. L. geweßen, habe sie gar woll undt lustig verlaßen, sahe recht woll auß; gestern solle sie auch noch gantz woll gewest sein. Da kompt ein[e]r von ihren valet de pied; der sagt, daß die großhertzogin wider beßer ist. Ich kan aber nicht glauben, daß I. L. sich dießmahl salviren mögen. Es macht mich gantz trawerig, will von waß anderst reden. Ich komme wieder, wo ich heütte morgen geblieben war, wie ich mich habe ahnziehen müßen. Wir wahren ahn die miltzsüchtige leütte geblieben. Ich bin itzunder, alß wen ich miltzsüchtig were, gantz trawerig. Es ist mir lieb, liebe Louise, daß die damasquinnirte schreibtaffel Eüch ahngenehm geweßen. Ihr habt vielleicht ni[c]ht in acht genohmen, daß die spitz von dem griffel sich heraußziehen lest undt ein crayon von bleyweiß drin; den ich laß es mitt fleiß so machen, den mich deücht, daß man gemachlicher liest, waß man geschrieben, wens mitt bleyweiß ist, alß mitt der goltenen spitz vom griffel. Ich habe Eüch, liebe Louise, dieße tabletten nur geschickt, weillen Ihr mir gesagt, liebe Louise, daß dieße arbeydt zu Franckforth nicht gemein seye. Ihr wist nun, liebe Louise, daß ich wider gantz gesundt bin, gott lob! Ich bin heütte bey unßer hertzogin von Hannover geweßen, die befindt sich gar woll von ihrer aderläß. Ich habe, gott lob, mein tag keine attaque vom potagram gehabt; aber meine groß fraw mutter, die landtgraffin von Hessen, ist dran gestorben, were also kein miracle, wen ichs bekämme. Wen man mich rahts gefragt hette, muß ich gestehen, daß ich nicht gerahten hette, daß landtgraff Max solte heürahten; den so viel abgetheilte herrn, daß verdirbt die heüßer undt macht arme fürsten. Den gräffinen von Zoetern habe ich Ewern brieff geschickt. Sie haben mir sagen laßen, sie wollen mir die andtwortt selber bringen, seindt aber noch nicht kommen. Es ist schon woll 14 tag, daß mir die printzes von Wallis bericht, daß die graffin von Degenfelt eine dochter bekommen. Ich habe Eüch aber, liebe Louise, kein compliment drauff gemacht, noch mich mitt Eüch [372] drüber erfrewet; den ein unglücklich metgen ist der mühe nicht wehrt; doch erfrewe ich mich mitt Eüch, liebe Louise, daß es woll abgeloffen undt sie sich woll dabey befundt. Meine intention wahr, heütte noch auff Ewer frischtes liebes schreiben zu antwortten vom 7 dießes monts, no 96. Aber ich bin heütte zu trawerig, umb mehr zu schreiben können. Ich habe unßere großhertzogin auff dem magen; sie hatt meinen pagen gekendt, so ich hingeschickt hatte, hatt ihm gesagt, sie dancke mir undt were beßer. Adieu, hertzallerliebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch all mein leben hertzlich lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. Dezember 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 369–372
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1185.html
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