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Paris den 21 December 1720 (N. 54).
Hertzallerliebe Louise, ich weiß nicht, ob ich heütte auff Ewere
beyde liebe schreiben werde andtwortten können; den ich habe
heütte gar viel zu thun. Gleich nach dem eßen werde ich au
Val-de-Grâce, unßer abtißin von Chelle[s] adieu zu sagen, welche biß
montag, alß übermorgen, wider in ihr closter wirdt. Hernach werde
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ich zu unßer hertzogin von Hannover, umb zu sehen, wie sie sich
nach ihrer aderlaß befindt; hernach werde ich wider her undt unßere
junge printzessin in die ittalliensche commedie führen. Unßere
arme kinder im hauß dörffen nicht ohne mich ins opera. Ich weiß
nicht, waß vor eine fantesie madame la duchesse d’Orleans hirin
hatt. Ich habe es meiner dochter nie gewehrt, mitt ihren
hoffmeisterinen undt sonst gescheyde damen ins opera oder commedie
zu gehen; daß seindt inocente sagen
[1], so weder gott, noch
menschen schaden können. Aber in allen andern sachen lest sie ihnen
den zügel gantz schießen undt daß deücht gar nichts; aber es ist
ihre sache. Last unß von waß anderst reden! Ich kome auff Ewer
schreiben vom 30 November, no 94. Da sehe [ich], daß die post
nun gantz resolvirt ist, Eüch allezeit meine schreiben, liebe Louise,
2 undt 2 auff einmahl zu geben; aber so sachen sein nicht zu
endern, also nichts drauff zu sagen. Wen die post wolte, könten
unßere brieffe allezeit in 7 tagen überkommen; aber daß gefelt
ihnen nicht. Von meinem husten undt schnupen werde ich nichts
mehr sagen; daß ist, gott lob, vorbey; werde hir zu Paris woll
baldt wider einen bekommen; den Paris ist mir gar nicht gesundt
[2],
entpfinde es mehr, alß ichs mir mercken laßen, den ich muß woll
hir sein, also nur gedult haben. Alle nacht regnets. Ich fürchte,
das daß so gar samffte undt warme wetter wir[d] thewer bezahlt
undt eingedrenckt wirdt werden undt daß gegen Ostern alles
verfrieren wirdt; undt ein schlim jahr hatt man gar nicht von nöhten,
alles ist ellendt genung ohne daß. Daß macht, daß alles trawerig
undt langweillig ist; den alle menschen klagen hir, dießer den
verlust seines gelts, jenner sein[e]r gesundtheit. Suma, man hört nichts,
alß klagen überall, undt nichts ist langweilliger. Daß ist schlimmer
vor daß miltz, alß daß wetter. Ihr führt ein gar zu langweilliges
leben, umb nicht ein wenig miltzsüchtig zu werden. Waß solle ich
Eüch sagen? Ewer leben ist gutt vor den himmel, aber vor die
welt undt die gesundtheit deücht es gantz undt gar nicht. Ich
glaube woll, daß Ihr nicht ohne ursach trawerig seydt, liebe Louise!
Aber wen man ein wenig miltzsüchtig ist, so macht es, daß einem
die trawerige sachen noch viel traweriger vorkommen.
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Sambstag, den 21 December, umb 7 abendts.
In dießem augenblick komme ich auß der ittallienschen
commedie, welche ich in der helffte mitt recht betrübten hertzen
quittirt habe; den man ist mir sagen kommen, daß unßere großhertzogin
auff den todt ligt
[3]. Ich bin noch vorgestern bey I. L. geweßen,
habe sie gar woll undt lustig verlaßen, sahe recht woll auß; gestern
solle sie auch noch gantz woll gewest sein. Da kompt ein[e]r von
ihren valet de pied; der sagt, daß die großhertzogin wider beßer
ist. Ich kan aber nicht glauben, daß I. L. sich dießmahl salviren
mögen. Es macht mich gantz trawerig, will von waß anderst
reden. Ich komme wieder, wo ich heütte morgen geblieben war,
wie ich mich habe ahnziehen müßen. Wir wahren ahn die
miltzsüchtige leütte geblieben. Ich bin itzunder, alß wen ich miltzsüchtig
were, gantz trawerig. Es ist mir lieb, liebe Louise, daß die
damasquinnirte schreibtaffel Eüch ahngenehm geweßen. Ihr habt
vielleicht ni[c]ht in acht genohmen, daß die spitz von dem griffel sich
heraußziehen lest undt ein crayon von bleyweiß drin; den ich laß
es mitt fleiß so machen, den mich deücht, daß man gemachlicher
liest, waß man geschrieben, wens mitt bleyweiß ist, alß mitt der
goltenen spitz vom griffel. Ich habe Eüch, liebe Louise, dieße
tabletten nur geschickt, weillen Ihr mir gesagt, liebe Louise, daß
dieße arbeydt zu Franckforth nicht gemein seye. Ihr wist nun,
liebe Louise, daß ich wider gantz gesundt bin, gott lob! Ich bin heütte
bey unßer hertzogin von Hannover geweßen, die befindt sich gar
woll von ihrer aderläß. Ich habe, gott lob, mein tag keine attaque
vom potagram gehabt; aber meine groß fraw mutter, die
landtgraffin von Hessen, ist dran gestorben, were also kein miracle, wen
ichs bekämme. Wen man mich rahts gefragt hette, muß ich
gestehen, daß ich nicht gerahten hette, daß landtgraff Max solte
heürahten; den so viel abgetheilte herrn, daß verdirbt die heüßer undt
macht arme fürsten. Den gräffinen von Zoetern habe ich Ewern
brieff geschickt. Sie haben mir sagen laßen, sie wollen mir die
andtwortt selber bringen, seindt aber noch nicht kommen. Es ist
schon woll 14 tag, daß mir die printzes von Wallis bericht, daß die
graffin von Degenfelt eine dochter bekommen. Ich habe Eüch aber,
liebe Louise, kein compliment drauff gemacht, noch mich mitt Eüch
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drüber erfrewet; den ein unglücklich metgen ist der mühe nicht
wehrt; doch erfrewe ich mich mitt Eüch, liebe Louise, daß es woll
abgeloffen undt sie sich woll dabey befundt. Meine intention wahr,
heütte noch auff Ewer frischtes liebes schreiben zu antwortten vom
7 dießes monts, no 96. Aber ich bin heütte zu trawerig, umb mehr
zu schreiben können. Ich habe unßere großhertzogin auff dem
magen; sie hatt meinen pagen gekendt, so ich hingeschickt hatte, hatt
ihm gesagt, sie dancke mir undt were beßer. Adieu,
hertzallerliebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch
all mein leben hertzlich lieb.