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Brief vom 9. Juli 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1342.


[426]
St Clou den 9 Julli 1722 (N. 9).
Hertzallerliebe Louise, vorgestern habe ich Ewer liebes schreiben vom 23 Juni entpfangen, no 47, worauff ich hiemitt [427] andtwortten werde. Wen der diable au contretemps sein spiel ahnfengt, einem[1] ungedultig zu machen, so kompt er gewiß zu seinem zweck. Ihr habt gar woll gethan, den post-tag doch nicht vorbey zu gehen laßen, sonsten würde ich in sorgen vor Eüch gewest sein, liebe Louisse! Ich wünsche, daß das Schlangenbadt Eüch woll bekommen mag. Alle leütte, so reißen können, wo sie hin wollen, finde ich recht glücklich. In ewigem zwang zu leben, ist eine trawerige sach auff die lenge. Aber last unß von waß anderst reden! Dieße[s] mögte unß zu weit im text führen. Mich wundert, daß die fürstin von Ussingen nicht zu ihre herrn brüder undt schwester [geht]; madame Dangeau ist schon nahe bey 3 wochen von hir verreist, ist zu ihren brüdern. Ich habe woll gedacht, daß sie dieße occation nicht würde vorbey gehen laßen, so sich nicht alle jahr findt. Mein gott, wie glücklich finde ich die, so noch bey den ihrigen sein können undt sie wider sehen! Solche gedancken preßen mir woll hertzliche seüfftzer auß. Aber stille, last unß von waß anderst reden! Franckforth, wie ich sehe, wirdt sehr lehr bleiben; die zurück bleiben, seindt zu beklagen. Ich muß lachen, daß Ihr sagt, daß die fürstin von Naßau-Siegen leyder im Schlangenbadt ist. Ach, liebe Louise, wer hir solche delicatesse haben solte, müste die welt raumen undt hermitte[2] undt einsiedller werden. Vor zwey tagen verzehlte man mir, daß eine fraw von qualitet vor kurtzer zeit sich mitt dem duc de Richelieu in sein hauß gantz allein von weibsleütten sich splinder-nackendt abgezogen undt so mitt 6 junge leütte von qualitet geßen. Das ist doch abscheülich; man kan dencken, waß nach dem eßen vorgangen; ist leicht zu rahten. Seyder wan ist mein vetter, der landtgraff, so gallant? Mich deücht, in sein[e]r jugendt war er es gantz undt gar nicht. So leichtfertige stücker fleisch haben keine scham, weißen sich wie ordinarie. Chur-Maintz hette eben kein groß unrecht, wen er dieße fürstin einsperen ließe. Ich weiß aber nicht, ob es zu ihrem besten sein würde; den [wenn] solche art leütte, so ein frey leben gewondt sein, eingesperdt werden, verzweyfflen sie leicht. Ich bin heütte zu Versaillen gewest, bin müdt wie ein armer hundt. Muß doch noch sagen, daß vetter Carl von Philipsthal mich auffs neü gebetten, meine andtwordt in diß paquet zu schließen; er geht auch ins Schlangenbaadt. [428] Adieu, hertzliebe Louise, ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch allezeit sehr lieb undt …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 9. Juli 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 426–428
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1342.html
Änderungsstand:
Tintenfass