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Brief vom 6. September 1692

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


144.


[161]
St. Clou den 6. Sept. 1692.
Vorgestern nachmittags habe ich E. L. gnädiges schreiben vom 19./29. August entpfangen undt gestern bin ich wider mitt eins erfrewet worden, wobey das opera von Iason war, wovor ich E. L. gantz demütigsten danck sage. E. L. seindt meinem sohn gar zu gnädig, daß es ihnen verdriest, daß der duc de Luxembourg nicht viel von ihm gesagt undt nicht verzehlt, wie er sich gehalten. Das muß E. L. aber kein wunder nehmen, denn mons. de Luxembourg ist einer von den politischen undt courtisans von der welt, der immer der faveur ergeben, hatt also nicht von meinem sohn reden dürffen, weillen er mons. le duc de Maine nicht hatt loben können. Undt damitt E. L. sehen, daß er nur bloß mad. de Maintenon sucht zu gefahlen, so soll er niemandes mehr loben, alß Mally[1], welcher mad. de Maintenon niepcen eine geheüraht hatt undt sehr woll bey seiner tanten dran ist, da doch der printz de Conti[2] undt mons. le duc[3] woll taußendtmahl mehr gethan haben [162] alß dießer Mally, undt mich die rechte ursach sein, daß der combat gewunnen worden, denn weren die 3 jungen printzen, alß printz de Conti, mons. le duc undt mein sohn, nicht dar geweßen undt den soldatten zugesprochen hetten undt sie mitt gutten wordten undt auch schlägen gegen den feindt geführt, were der große heros mons. de Mally teüffelsding geschlagen worden, unahngesehen seiner undt seiner tanten große faveur, undt der general, der ihn so erschrecklich lobt, hette mitt einer langen naßen davon ziehen müßen. …
Ich glaube nicht, daß die verwitibte hertzogin[4] nun noch content von unßerm König ist, nun er I. L. verhindert, nach Hanover zu ziehen, undt E. L. werden so baldt kein flus[5] de parolles von I. L. hören. Sie jammert mich von hertzen undt ihre princessinen noch mehr. Ich habe ihr gerahten, sie solle hir bleiben undt von ihren güttern leben undt die 2 princessinen nach Hannover schicken; da hatt sie aber mühe, sich dazu zu resolviren, also fürchte ich, daß die 2 gutte princessinen woll lang flederwisch müßen feil tragen[6]. Die jüngste[7] hatt verstandt undt spricht woll, die elste[8] aber, unter unß geredt, deücht mir ein thum teüffelgen zu sein undt sehr massif, hatt gar keine vivacitet nicht weder in reden noch in den maniren; die jüngste aber ist sehr lebhafft. Ich glaube, daß ihre fraw mutter nur den König so gelobt, weillen sie weiß, daß man alle brieff auffmacht undt abcopirt; die gutte hertzogin weiß aber nicht, daß, was man auch hir im landt thun undt sagen mag, wenn man ihnen zu nichts nicht nutz ist, hilfft es zu nichts, undt ich, die immer die warheit sage undt kein bladt vors maul nehme, werde nicht übler dran sein, alß sie. E. L. haben woll gerahten, daß ihr schwager das affengesicht ihr ärgster feindt ist, undt es ist gewiß, daß er undt das alte weib, die rompompel, schuldig sein, daß der König der hertzogin keine justice gethan hatt. Die hertzogin meinte, das alte weib seye ihre beste freündin; ich habe sie hundertmahl gewarnt, daß sie sie betriegen würde, sie hatt mir aber nicht glauben wollen, biß [sie] endtlich mitt ihrem eygenen schaden ist weiß worden. …
Ich glaube, daß, wenn ich die gnade hette, E. L. auffzuwarten, würde die freüde mir wieder in die alte sprüng undt zum tantzen helffen; das frantzosche tantzen kan ich nicht vertragen undt kompt mir gar langweilig vor. E. L. können woll kecklich Dero minen weisen, denn sie ja immer gutt sein müßen. Ich halte viel von soliden affectionen undt die kein ungemach bringen, aber die, so schmützig undt ungemachlich sein, stehen mir nicht ahn. Wo sollte die rumpompel gelernt haben, wie man mitt leütten von meiner gattung leben muß. Sie hatt ihr leben mitt andrer art leütten zugebracht; [163] die faveur können wenig leütte tragen wie sie solten, der kopff trehet gleich undt wißen nicht mehr selber was sie thun. Der große mann kan nichts beßer von seiner zot glauben, weillen er ja nicht glauben kan, daß sie so ein lustiges leben geführet hatt, welches doch leicht zu glauben ist von leütten von ihrer gattung. Wie kont er denn glauben, daß sie ein assassinat ahnstifften könte? denn er meint sie voller gottesforcht undt in allen tugenden vollkommen perfect; das exempel von Grandval[9], hoffe ich, wirdt ob Gott will alle andere boßhafftigen abschrecken, daß sie den König Wilhelm in ruhe mögen laßen…
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 6. September 1692 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 161–163
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0144.html
Änderungsstand:
Tintenfass