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Brief vom 19. März 1693

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


163.


[179]
St. Clou den 19. Mertz 1693.
… Ich kan unmöglich predigen hören ohne zu schlaffen undt eine predig ist ein recht opium vor mich. Ich hatte einmahl hir einen starcken husten undt war 3 nächte geweßen ohne ein aug zu zu thun, da fiel mir ein, daß ich alß in der kirch schlaff, sobaldt ich predigen oder nonen singen höre; fuhr derowegen in ein kloster, wo man predigen solte; die nonen fungen aber kaum ahn zu singen, da schlieff ich ein undt schlieff die 3 stundt über, daß das office wehrte; welches mich gantz wider erholte. Hirauß sehen E. L., daß ich nicht weniger den seegen habe, in der kirch zu schlaffen, alß E. L. undt I. G. mein herr vatter seelig gehabt hatt … Ich habe vor dießem ein graff Leüwenhaubt zu Heydelberg gesehen, der ist es vielleicht, so die gräffin von Königsmarck geheüraht hatt[1]. Es ist mir leydt, daß unßere raugräffinen ursach haben, so betrübt zu sein; allein ihr gutt gemüht gefält mir woll. Ich habe die gutte kinder lieb, weillen sie I. G. des Churfürstens seelig kinder undt also meine schwestern sein; allein es frewet mich zu vernehmen, daß sie so sein, daß man sie estimiren kan. Die gutte kinder thun woll, in ihrer religion zu bleiben, wenn man endert, ist man nicht glücklicher undt man hatt nichts beßer davon. Carolines schönheit ist doch baldt passiert, denn sie ist ja nun 32 jahr alt. Es ist woll ein recht unglück, daß von 6 oder 7 buben[2] just eben der muß leben geblieben sein[3], welcher der heßlichste undt ellendtste von allen war. Warumb wollen E. L. nicht, daß ich mich unter die heßlichen rechnen solle, weillen ich es doch ja all mein leben geweßen undt noch bin undt noch mehr werden werde, aber ich frag gottlob [180] gar nichts darnach. Ich bin verwundert, daß E. L. mager geworden sein; sie waren noch fett, wie sie vor 13 jahren hir waren[4]. Ich bin persuadirt, daß der chagrin solches macht. Ich fange auch ahn wider mager zu werden; die ursach ist, daß ich mich nicht recht woll befinde, undt jungfer Cathrin[5] ist ein wenig dereglirt, undt weillen ich unmöglich schwanger sein kan, indem ich gantz alleine schlaffe, so glaube ich, daß ich entweder kranck werde werden oder daß jungfer Cathrin vielleicht gantz auß bleiben will. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 19. März 1693 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 179–180
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0163.html
Änderungsstand:
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