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Brief vom 5. Oktober 1695

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


217.


[225]
Fontainebleau den 5. October 1695.
… Ich sehe, daß hertzog Christian[1] von meiner natur ist undt fett von fatiguen wirdt. Seyder ich hir bin, thue ich nichts alß jagen undt bin leyder noch ein daumen breit dicker worden alß ich war, wie ich her kame. Daß König Wilhelm aber so braff fatiguiren kan mitt seinem asme[2], ist woll zu verwundern. Meiner fraw mutter s[eelig] ihr Meyßenbuch hatt mich gar zu offt in meiner kindtheit weinen machen, umb daß ich mich seiner nicht erinern solte, sagte alß er müst mich heürahten, ich were ihm versprochen, wie ich geboren were. Es wundert mich, daß er noch lebt, muß doch jetzt gar alt sein. Man sagt hir, König Wilhelm wirdt die princes von Brandenburg heürahten[3]. Er hatt sich bey freündt undt feindt eine uberauß große estime dieße campagne zuwegen gebracht; es ist nicht zu beschreiben, wie [226] sehr dießer König überal gelobet wirdt. Es scheindt, daß König Wilhelm jetzt recht gelernt hatt, wie man mitt den Frantzoßen umbgehen muß … Mich deücht, vor dießem lachte oncle doch woll etlich mahl von hertzen. Das benimbt mir alle ambition, wenn ich sehe, daß die, so mitt stadtssachen umbgehen, allezeit serieux undt gar offt gritlich sein; ich glaube, man lebt lustiger ohne affairen. Mons. le dauphin ist ein unergründtlicher humor, sagt sein leben nicht was er denckt; man sicht nie, daß ihm etwaß sonderlich verdriest noch erfrewet, man spürt auch nie, ob er sich woll divertirt oder ob ihm die zeit lang felt …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 5. Oktober 1695 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 225–226
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0217.html
Änderungsstand:
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