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Brief vom 26. Juli 1696

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


246.


[249]
St. Clou den 26. Julli 1696.
… Ich bin woll von hertzen fro zu vernehmen, daß oncle wider ahnfängt zu kräfften zu kommen. Gott der allmächtige wolle ferner helffen, damitt I. L. baldt wider zu gantz vollkommener gesundtheit gelangen möge. Oncle thut woll, sich mühe zu überheben undt den Churprintzen[1] liebten damitt zu beladen, denn jungen leütten ist es gutt, etwaß zu thun zu geben; auch will ich glauben, daß I. L. der Churprintz gar zu gutt naturel sein, mehr zu begehren alß oncle I. L. mittheilt, also keine ursach haben werden, jalous zu sein. Es were etwas abscheüliches, wenn der Churprintz E. L. nicht in dem garttenwerck vergnügte, da er sicht, daß es all E. L. zeitvertreib ist; wenn er es nicht thäte, würde er von der gantzen welt blasmiret werden. Es ist nun schon lange, daß man keine neüe lieder gemacht; es wirdt woll auff einmahl außbrechen; alle die ich werde ertappen können, werde ich E. L. schicken. Man hatt kürtzlich eine fraw in verhafft genohmen, so allerhandt wunderliche machinen verkauffte, auch buben undt medger feil hatte: zu Paris verkaufft sich alles. … Die stifftsfreüllen von Fürstenberg, des cardinals niepce, hatt declarirt, daß sie solche langeweille nicht außstehen könte, daß, so lang keine cavalirs zu Paris undt alles in der armée, sie woll bey ihrem oncle bleiben könte, sobaldt aber jederman widerkommen würde sein, würde sie vor leydt sterben, wenn sie nicht wider zu Paris were. Dießen discours [250] findt man gar possirlich hir undt lacht drüber, mir aber gefelt er nicht, undt glaube, daß, wenn met verlöff met verlöff eine leüffige hündin reden könte, sie eben so sprechen würde. Die gräffin helt auffs wenigst den decorum ein wenig beßer … Nach mr. Helmonts meinung zu reden, so müsten alle seelen allezeit leyden, denn man sicht wenig seelen in der welt, so nicht leyden, undt ein jeder mensch hatt seine quaal. Ich glaube, daß, wenn die h. schrifft sagt: wer mitt dem schwerdt tödt, soll mitt dem schwerdt umbkommen[2], daß es eben nicht bedeütt, daß es eygendtlich so geschehen wirdt, sondern daß es nur eine ahnmahnung undt art zu reden ahn die obrichkeit ist, damitt sie das übel undt den mordt ungeschewet durch den todt des übelthäters abstraffen möge, undt auff dieße weiße lügt Gott nicht. Mich deucht, daß es nicht der mühe werdt were, so offt wider zu leben, umb so offt zu sterben, denn man hatt nur die mühe zu leben davon, den trost aber nicht, daß man nicht gantz abstirbt, denn weillen man sich von nichts erinern kan, ist es eben alß wenn man nicht geweßen were …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. Juli 1696 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 249–250
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0246.html
Änderungsstand:
Tintenfass