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Brief vom 22. Dezember 1697

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


323.


[316]
Paris den 22. December 1697.
… Der lotheringsche envoyé mons. de Couvonge[1] ist ahnkommen, geht heütte nach Versaille, mons. le Grand[2] sagte mir gestern, selbiger envoyé hette ordre, umb mein tochter ohne einige condition ahnzuhalten. Wenn dem so ist, glaube ich, daß es eine außgemachte sache wirdt sein. Dieße sach ist recht mittelmäßig, sie ist eben nicht so gar köstlich, sich viel drüber zu erfrewen, sie ist aber auch nicht so ungereimbt, umb sich drüber zu betrüben, kompt mir also, wie schon gesagt, gantz mittelmäßig vor, denn es ist hiran weder ehre noch schandt, bin doch fro, daß wir dem stinckergen[3] entloffen sein. Wie mir Louisse[4] den hertzog von Lotheringen beschreibt, so seindt I. L. nicht gar schön, kurtz undt dick undt [hat] ein oesterreichisch maul. Was mich hoffen macht, daß mein tochter mitt dießem hertzog nicht unglücklich sein wirdt, ist, daß sie dießen heüraht allezeit gewünscht hatt undt sich eingebildt, daß sie glücklicher bey dießem herrn alß bey dem römischen König[5] sein würde, denn es war ihr immer bang vor der Keyßerin[6] humor … Es ist hir ein teütscher edelman, so sich vor I. L. der Churfürstin von [317] Brandenburg cammerjuncker außgibt, er heist Glassenop[7]; ich kan aber nicht glauben, daß er ist, wovor er sich außgibt, ob Jeme zwar sagt, daß er ihn ahm brandenburgschen hoff gesehen hatt. Er ist gar zu wunderlich, hatt fingersdick rott undt weiß ahn undt wenn man sichs ahm wenigsten versicht, thut er eine capriolle in der cammer, tantzt ohne violons, noch daß jemandts singt, gantz allein vor alle leütte vor einem spigel, summa er sicht einem rechten gecken gleich. Ich habe ihm sagen laßen, andere maniren ahn sich zu nehmen, wenn er vor keinen absoluten narren hir passiren wolle, undt ich könte nicht außstehen, daß ein Teütscher sich so gar närisch stelle. Im opera stelt er sich in der mitte vom parterre undt springt undt tantzt gantz allein herumb, daß ihn jederman ansicht. Ich bitte, E. L. berichten mich doch gnädigst, obs wahr ist, daß dießer grimassirer undt widerlicher mensch ahn mein patgen ist. Er ist heßlich undt macht ein klein maulgen undt doux veux; man kan sich nicht närischer noch abgeschmackter ahnstellen, alß der kerl thut. Im ersten bal saß Glassenop hinter mein tochter undt mad. la duchesse[8]; es war gar warm in der gallerie, da schmoltz sein schmincke undt floß ihm über die naß, sahe gar doll auß, machte alle leütte zu lachen. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 22. Dezember 1697 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 316–317
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0323.html
Änderungsstand:
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