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Brief vom 8. März 1699

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


375.


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Versaille den 8. Mertz 1699.
… E. L. thun ein rechtes werck, den himmel zu verdinen, bößes mitt guttem zu vergelten undt denen trost undt hülff zu verleyen, so E. L. chagrin verursachet haben. Solche generositet wirdt man bey wenigen finden; E. L. seindt desto mehr zu admiriren. Der gräffin Platten standt ist zu erbarmen; weillen sie lahm worden undt der schlag sich in eine paralesie[1] getrehet, wirdt sie noch lang in dem ellenden standt leben können. E. L. moralitet ist woll gar recht hirauff. Mich wundert, daß sie sich so wenig in ihr [361] unglück hatt schicken können, denn sie ist doch arm geboren undt erzogen worden, hette sich doch noch nach dem standt, daß sie geboren, vor glücklich schätzen können; allein diß weib muß die ambition zur passion haben, undt wer das hatt, den kan nichts vergnügen alß das regiren; drumb hatt sie sich nicht wider erhollen können. Ein jedem ist sein ziehl, zeit undt stunde gesetzt undt auch sein lebenslauff, da können wir arme menschen nichts in endern. Aber ich glaube, daß unßer Herrgott der gräffin expresse ihr unglück schickt, umb aller welt zu erweißen, wie sehr E. L. über alles sein, undt daß, ob das glück schon die gräffin eine zeit her favorisirt hatt, daß es doch endtlich weist, daß die laster gestrafft undt die tugendt recompensirt wirdt undt E. L. verstandt undt fermeté alles überwinden kan. Mich deücht, es were dem ertzbischoff von Saltzburg[2] ahnständtlicher, seine magnifissence in allmoßen zu erweißen, als in festen zu geben. Ich wolte, daß er all das gelt, so ihm der römischen Königin durchzug gekostet, ahn die arme verbrente Pfältzer geben hette. Seines brudern, des capuciners ambition wirdt vielleicht sein, vor einen heylligen zu passiren, wie der patter Daviano[3] … Gestern sprach man ahn taffel von der duchesse de Lediguiere[4], welche woll einen wunderlichen humor hatt. Den gantzen tag thut sie nichts in der welt alß caffé oder thé drincken, sie lest, schreibt noch arbeitt noch spilt nie; wenn sie café nimbt, müßen ihre cammerweiber undt sie selber auff türquisch gekleydt sein; nimbt sie thé, so müßen die es bringen auff indianisch gekleydt sein. Die cammerweiber weinen offt die bittere threnen, daß sie sich zwey oder drey mahl des tags anderst ahnthun müßen. Kompt jemandes, die dame zu besuchen, findt man in einer antichambre viell pagen, laquayen, edelleütte; dan kompt man ahn eine thür, so verschloßen ist, da klopfft man ahn, da kompt ein großer mächtiger mohr mitt einem silbern tourban undt großem sebel ahn der seydt, macht die thür auff, lest die dame oder cavalier, wer es sein mag, hinein, aber gantz allein, der führt durch eine große cammer zu einer zweyten thür, die auch verschloßen, die macht der zweyte mohr auff undt rigelt die thür, wie der erste gethan, nach den leütten zu; die dritte cammer da geht es eben so her; in der vierten findt man 2 cammerdiner, die füren zu der fünfften cammer, da findt man die duchesse muttersallein. Alle die contrefaitten, so sie in ihrer cammer hatt, seindt ihre kutzschpferdt, so sie hatt mahlen laßen, die lest sie alle morgen eins nach dem andern in ihrem hoff herumb führen undt sicht sie durchs fenster mitt einer brill, denn sie sicht nicht woll. In ihrer cammer hatt sie auch das conclave in gemähls auff eine manir, wie man es noch nicht gesehen: der papst undt alle die cardinäls seindt mohren; auff einem gelben atlaß hatt sie auch lautter mohren gestickt. In ihrem garten, welcher gar [362] schön ist, darin stehet eine marbere seülle mitt einem epitaphe von einer katz, so ihr gestorben undt welche sie sehr lieb gehabt hatt. Wenn ihr sohn sie sehen will, muß er erst audientz fordern, undt ihres sohns fraw auch; wenn sie 6 oder 7 mahl hingeschickt haben, ob sie sie sehen können, lest sie sie kommen, aber mitt ebendenselben ceremonien, alß wenns frembde weren. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 8. März 1699 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 360–362
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0375.html
Änderungsstand:
Tintenfass