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Versaille den 8. Mertz 1699.
… E. L. thun ein rechtes werck, den himmel zu verdinen, bößes mitt
guttem zu vergelten undt denen trost undt hülff zu verleyen, so E. L. chagrin
verursachet haben. Solche generositet wirdt man bey wenigen finden; E. L.
seindt desto mehr zu admiriren. Der gräffin Platten standt ist zu erbarmen;
weillen sie lahm worden undt der schlag sich in eine paralesie
[1] getrehet,
wirdt sie noch lang in dem ellenden standt leben können. E. L. moralitet
ist woll gar recht hirauff. Mich wundert, daß sie sich so wenig in ihr
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unglück hatt schicken können, denn sie ist doch arm geboren undt erzogen
worden, hette sich doch noch nach dem standt, daß sie geboren, vor glücklich
schätzen können; allein diß weib muß die ambition zur passion haben, undt
wer das hatt, den kan nichts vergnügen alß das regiren; drumb hatt sie
sich nicht wider erhollen können. Ein jedem ist sein ziehl, zeit undt stunde
gesetzt undt auch sein lebenslauff, da können wir arme menschen nichts in
endern. Aber ich glaube, daß unßer Herrgott der gräffin expresse ihr
unglück schickt, umb aller welt zu erweißen, wie sehr E. L. über alles sein, undt
daß, ob das glück schon die gräffin eine zeit her favorisirt hatt, daß es doch
endtlich weist, daß die laster gestrafft undt die tugendt recompensirt wirdt
undt E. L. verstandt undt fermeté alles überwinden kan. Mich deücht, es
were dem ertzbischoff von Saltzburg
[2] ahnständtlicher, seine magnifissence in
allmoßen zu erweißen, als in festen zu geben. Ich wolte, daß er all das
gelt, so ihm der römischen Königin durchzug gekostet, ahn die arme
verbrente Pfältzer geben hette. Seines brudern, des capuciners ambition wirdt
vielleicht sein, vor einen heylligen zu passiren, wie der patter Daviano
[3] …
Gestern sprach man ahn taffel von der duchesse de Lediguiere
[4], welche
woll einen wunderlichen humor hatt. Den gantzen tag thut sie nichts in
der welt alß caffé oder thé drincken, sie lest, schreibt noch arbeitt noch spilt
nie; wenn sie café nimbt, müßen ihre cammerweiber undt sie selber auff
türquisch gekleydt sein; nimbt sie thé, so müßen die es bringen auff
indianisch gekleydt sein. Die cammerweiber weinen offt die bittere threnen, daß
sie sich zwey oder drey mahl des tags anderst ahnthun müßen. Kompt
jemandes, die dame zu besuchen, findt man in einer antichambre viell pagen,
laquayen, edelleütte; dan kompt man ahn eine thür, so verschloßen ist, da
klopfft man ahn, da kompt ein großer mächtiger mohr mitt einem silbern
tourban undt großem sebel ahn der seydt, macht die thür auff, lest die dame
oder cavalier, wer es sein mag, hinein, aber gantz allein, der führt durch
eine große cammer zu einer zweyten thür, die auch verschloßen, die macht
der zweyte mohr auff undt rigelt die thür, wie der erste gethan, nach den
leütten zu; die dritte cammer da geht es eben so her; in der vierten findt
man 2 cammerdiner, die füren zu der fünfften cammer, da findt man die
duchesse muttersallein. Alle die contrefaitten, so sie in ihrer cammer hatt,
seindt ihre kutzschpferdt, so sie hatt mahlen laßen, die lest sie alle morgen
eins nach dem andern in ihrem hoff herumb führen undt sicht sie durchs
fenster mitt einer brill, denn sie sicht nicht woll. In ihrer cammer hatt sie
auch das conclave in gemähls auff eine manir, wie man es noch nicht
gesehen: der papst undt alle die cardinäls seindt mohren; auff einem gelben
atlaß hatt sie auch lautter mohren gestickt. In ihrem garten, welcher gar
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schön ist, darin stehet eine marbere seülle mitt einem epitaphe von einer
katz, so ihr gestorben undt welche sie sehr lieb gehabt hatt. Wenn ihr sohn
sie sehen will, muß er erst audientz fordern, undt ihres sohns fraw auch;
wenn sie 6 oder 7 mahl hingeschickt haben, ob sie sie sehen können, lest sie sie
kommen, aber mitt ebendenselben ceremonien, alß wenns frembde weren. …