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Brief vom 23. Januar 1701

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


441.


[427]
Versaille den 23. Januari 1701.
… Man hatt mir gestern etwaß neues in vertrawen gesagt; ich habe es mühe zu glauben, aber ich gebe woll etwaß gutts drumb, daß es wahr were. Es geht ein geschrey zu Paris, daß die Pantecratte[1] ihren ehemann[2] verkaufft undt gelt vom Keyßer nimbt. Das were gar zu artig, wenns wahr were. Daß dießelbe person millionen auß dem Elsaß zicht undt den gantzen [428] adel dort schindt, das ist gewiß, undt auch, daß sie hir von allen händen nimbt; aber was ahm artigsten ist, ist, daß sie thut alß wenn sie nichts hette, undt wenn ihr mann ihr gelt geben will, so sagt sie: O nein, behalts selber, ihr habts von nöhten, ich habe genung zu leben, da meint er, niemandes in der welt fragt weniger nach gelt, alß seine fraw, undt admirirt ihre moderation, da doch kein interessirterer mensch in der welt ist. Das divertirt mich recht. Sie soll heimblich conversationen mitt dem graffen von Sintzendorf[3] haben in der Dangeau[4] kammer, so die intrigue führt, mitt ihrem mann undt Torcy[5]. Ich kan nicht begreiffen, waß das alte weib, so doch keine kinder hatt, mitt alle den millionen thun will, so sie gesamblet hatt. Aber das geht mich nichts ahn. Sie hatt ihren haß gegen mir woll in meiner kranckheit erwießen: gantz Franckreich vom König biß auff den geringsten seindt zu mir kommen undt haben nach mir gefragt, sie allein hatt sich singularisirt undt nicht einmahl fragen laßen, wie ich mich befinde. Dieße ungnadt zu haben hatt mich gar nicht verhindert, zu geneßen, undt befinde mich gar woll dabey; es ist mir lieber, daß der alten hutzel[6] haß gegen mir wehrt, alß das fieber, dießes were mir viel schädtlicher. … Hir hört man jetzt auch nichts anders alß von krieg undt kriegsgeschrey, förchte also sehr, daß es krieg wirdt werden. Breton hatt mir von Berlin geschrieben, daß die crönung in Preussen nicht so baldt wirdt geschehen können, weillen das eyß die bagagen auffgehalten. Ich bin persuadirt, daß ein Churfürst, so reicher ist alß alle altesses Royalles, undt mehr landt undt leütte hatt, sich woll mitt seinem tittel vergnügen könte undt alles was nur wörter sein vor chimere halten, insonderheit wenn dieße wörter mehr zwang alß freyheit mitt sich bringen. Aber wie E. L. mir dießen König beschreiben, so liebt er den esclat undt den zwang, weill er die ceremonien liebt; wundert mich also nicht, daß er gern König hatt sein wollen, undt wie E. L. gar recht sagen, man wirdts baldt gewont werden. Es kompt mir vor wie der roman von Amadis[7], in welchem man allezeit neüe Könige sicht. Seyder etlichen jahren hehr sicht man nichts alß romanesque avanturen; des Königs in Schweden victoire ist auch gantz romanesque, daß man mitt 15 000 mann 100 000 mann schlegt[8]. Es fehlt nur dran, daß es umb keine maistressen geschicht, sonst were der roman perfect, insonderheit gegen den Czaar, der so viel reißen incognito gethan hatt … Ich glaube, der Keyßer muß auff Engellandt undt Hollandt bawen, weillen I. K. M. den krieg ahnfangen … [429]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 23. Januar 1701 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 1 (1891), S. 427–429
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d07b0441.html
Änderungsstand:
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