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Brief vom 27. Juni 1706

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Kurfürstin Sophie von Hannover


607.


[137]
Marly Sontag den 27. Juni 1706.
… Ich würde mich woll von hertzen mitt E. L. erfrewen über die versprechung Dero beyder enckel[1], wenn ich nicht in so großen sorgen were alß ich leyder seyder gestern bin vor ma tante die fraw abtißin von Maubuisson. … Ich bin doch fro, daß E. L. beyde enckel so nach Dero sinn undt gefahlen geheüraht worden; ich aprobire aber gar nicht, daß E. L. herr sohn, I. L. der Churfürst es gethan, ohne E. L. davon zu sprechen, denn das ist gegen den respect, so er E. L. schuldig, undt der König in Preussen selber hatt unrecht, denn ob er zwar nun König geworden, so ist er E. L. doch einen kindlichen gehorsam schuldig, weillen er E. L. dochterman undt sein sohn E. L. enckel ist. Weillen die princes dem König so woll gefelt, würde er sie woll vor sich selber genohmen haben, wenn er nicht oncle were. Ich hoffe aber, daß, weill der Konig in Preussen den Cronprintzen verheüraht, daß er selber ahn keinen heüraht denckt. Gott laße E. L. taußendt freüden ahn dießem liben par erleben. Ich bin fro, daß die Andriene[2] in eine so große occasion ist gebraucht worden. Ich kan leicht begreiffen, wie die gutte princes gezittert hatt; ein heüraht ist kein bagatelle, es ist ein kauff, so so lang wehrt, alß das leben. Ich weiß dem König in Preussen danck, der E. L. gleich nachricht davon geben; der Churfürst, E. L. herr sohn, solte sich drüber schämen, nicht der erste gewest zu sein; dieße fierté wirdt von niemandts aprobirt werden; gegen den feind muß man fier [sein], aber nicht gegen seine fraw mutter, denn wenn er die ehrt, so ehrt er sich selber; wie I. L. es aber machen, heist man einen bawernstoltz. …
Je recognois mon sang ahn dem cronprintzen, daß I. L. die ceremonien so sehr haßen. Ich hoffe, daß die brautt schönne presenten bekommen wirdt, es kan nicht beßer ahngelegt werden. Es ist ein glück, daß dieße princes dem König zu nahe ist, umb sie zu heürahten, sonsten mögte [138] er sie seinem herrn sohn eslevirt haben, weillen sie ihm so gar woll gefelt. Mich deücht, man könte dem cronprintzen accordiren, daß sein beylager gantz ohne ceremonien geschehen mögte undt die heimführung könte der König in Preussen hernach mitt so großen ceremonien machen alß er wolte, so werden sie beyde zufrieden … Der König undt die Königin in Spanien seindt nicht zu Pampelune, sondern noch in Madrit undt dort sehr geliebt. Daß die münchen vor den Ertzhertzog[3] gefochten, wusten wir hir; man sagt dazu: sie haben, nehmblich die capuciner, ihre bärtte mitt gelb bandt gebunden, umb zu erweißen, wie gutt österreichs sie weren; das muß schön gestanden sein. Wenn man betracht alles was seyder die 35 jahr vorgangen, alß ich in Franckreich bin, kompt es einem wie ein roman vor. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 27. Juni 1706 von Elisabeth Charlotte an Sophie von Hannover
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann, Band 2 (1891), S. 137–138
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d08b0607.html
Änderungsstand:
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