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Brief vom 4. Februar 1672

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Anna Katharina v. Harling, geb. v. Uffeln


16.


[015]
St. Germain den 4. februari 1672.
… Ma tante schreibt mir, daß ihr vermeint, daß ich euch vergeßen hette, weil ihr kein schreiben von mir bekommen. Ich kan nicht wißen, wie das zugeht; ich hab nur 2 brief von euch bekommen, welche ich auch beyde beantwort … Damit mein hertzlieb jungfer Uffelen aber nunmehr keinen zweiffel ahn meinem gedechtnuß haben mag, sondern fest glauben, daß ich sie als noch lieb hab undt behalten will, so schreib ich ihr am ende meiner kranckheit, unangesehen daß ich noch etwas matt bin, obwol die kranckheit nicht lang geweret, undt will euch den gantzen verlauf davon verzehlen, damit, wans papa undt matante hören, daß sie nicht in sorgen sein mögen. So lang ich hir im landt bin, hab ich [mich an] das eßen, so sie hir eßen, welches mit lauter speck undt kein bißen butter ist, nicht recht gewonen können undt derhalben nie gar viel geßen; wie ich aber nach Versaillen kommen, hab ich mehr exercitien gethan als zu Paris, undt [bin] derowegen auch hungericher geweßen, als vor dißem. Also hab ich vergangen freitag, nachdem ich den gantzen tag spatziren war gangen, nachts nach mitternacht zu [016] nacht, welches man medianoche[1] hir heist, geßen, welchs man thut, damit man fleisch eßen darf. Monsieur[2] hat mit dem König medianoche gehalten undt ich hab mit meinen leütten geßen; der König aber hat sein eßen viel eher bekommen, als ich; derhalben wie wir am halben eßen waren, kam Monsieur schon nach hauß, wir aber aßen fort, undt wie ich praffen hunger hatte, aß ich mich so dick, daß ich mich nicht rühren konte, undt mußte darauf gleich nach bett gehen mit vollem magen. Dieselbe gantze nacht war ich zwar nicht kranck, aber schwitzte die gantze nacht wie ein tantzbeer; den sambstag mittag war ich so spät aufgestanden, daß ich nicht zu mittag eßen kont undt derowegen abendts wider so einen schrecklichen hunger hatte, daß ich mich wider gantz dick geßen, mußte auch gleich druf schlafen gehn, weil Monsieur schrecklich zahnpein hatte. Dieselbe nacht hab ich schreckliche hitz gegricht, daß ich die gantze nacht nicht hab schlafen können, undt gegen morgen wider geschwitzt undt dabey abscheulich kopfwehe. Ich ließ mir aber nichts mercken, sondern stundt auf undt that mich ahn undt ging mit dem König in die meß wie ordinari; aber im hin undt her gehn dacht ich, daß mein kopf vor pein verspringen solte. Sobaldt ich in der Königin[3] gemach kam, fragte mich die Königin undt alle damens, was mir felte, daß ich so trawrich außsehe? Ich sagte aber, ich hette die nacht nicht woll geschlafen undt were schläfferig. Wie ich an tafel kam, fing der König gleich an zu rufen: Wie secht ihr so schrecklich ubel auß, ich glaub, ihr habts fieber. Ich blieb aber bestendig drauf, ich wer schläfferich. Der König trauete aber nicht, sondern ließ mir den pulß durch der Königin docktor, so da stundt, fühlen, welcher versicherte, daß ich kein fieber hette, aber ich konte kein bißen eßen, sondern der geruch von eßen war mir zuwider. Sobaldt ich vom eßen aufstundt, sagt mir Monsieur undt der König, ich solte in mein kammer gehn schlafen, ob vielleicht mir beßer werden würde. Ich ging in kammer undt ließ die Hinderson[4] rufen; die hielte mir den gantzen tag den kopf; ich schlief ein stundt oder 3, darnach that mir mein kopf noch viel weher als zuvor. Abendts kam der König zu mir undt fült mir den pulß undt den kopf undt sagt, ich hette ein inerlich fieber; der Königin dockter aber sagte, ich hette gar kein fieber. Endtlich wolten sie mich uberreden, ich solte ein clistier nehmen, welches ich nicht thun wolte; der König aber wolt nicht weg gehn, biß ich ihm versprochen, daß ich mich zu bette legen wolte undt [017] ein clistier nehmen. Darauf fing ich ahn so ubel zu werden, daß, so oft ich auf den stull ging, welchs 3 mahl geschehen, hab ich mich allemahl 4 mahl ubergeben. Damit kam der dockter undt fülte mir den pulß undt sagte, daß ich das fieber nun rechtschaffen hette. Derselbe acces hat 24 stundt geweret. Andern tags bin ich hirher gefahren undt hat mich das fieber umb 8 abendts angestoßen undt habe es biß 10 andern morgen gehabt undt haben mir wider clistiere geben. Sie haben mir mit aller gewalt wollen aderlaßen undt medicin geben, aber ich hab durchauß nicht gewolt. Endtlich wie sie keinen rat mehr mit mir gewust, hat der König undt Monsieur kommen wollen; einer hat mir wollen den ahrm, der ander die ander handt undt den kopf mit aller gewalt halten, aber zu allem glück hat mich eine jungfer[5] besucht, welche verursacht, daß man mir nicht gelaßen (ihr versteht mich woll). Seyder dem hab ich gar kein fieber mehr gehabt, auch kein schmertzen mehr; das schlimste aber ist, daß mich hungert undt vor morgen darf ich nicht eßen, weilen man noch lauert, ob es kein 4 tagig fieber geben will. Heute haben sie mir wider ein clistir geben, sonstens geben sie mir gottlob nichts, als alle 4 stundt ein schüßel voll kälbersaft, wie sie es heißen, welches etwas beßer ist alß fleischbrühe.
Dißes ist die gantze relation von meiner kranckheit. Hinfüro will ich beßer in acht [nehmen] undt nicht so viel freßen. …
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 4. Februar 1672 von Elisabeth Charlotte an Katharina v. Harling
in: Briefe der Herzogin …, Hg. E. Bodemann (1895), S. 15–17
Onlinetext URL: http://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d09b0016.html
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