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Versaille den 27 October 1714.
Hertzallerliebe Louisse, seyder vergangen donnerstag abendts
seindt wir wieder hir undt haben leyder vergangen mitwog daß
arme undt liebe Fontainebleau quittirt bey dem schönsten wetter
von der welt. Wir kammen früh zu Petit-bourg ahn. Ich war auff
den graben logirt undt hatt eine angelruht mitt drey angellen
mittgebracht, umb in dem graben zu fischen. Ich fischte undt funge
acht fisch undt die grösten fiehlen ins waßer. Zuletzt fung ich
einen fisch, es war eine larche, die war lenger, alß eine gutte ehlen
lang: der fadem war nicht starck genung, den fisch zu ziehen, noch
der stecken auch, alles brach undt der fisch fiel wider ins waßer
undt schwum mitt meinen 3 angelen fort. Ich hatte in meiner
carderobe gefischt, ging in mein cammer, 3 von meinen damen, alß
die hoffmeisterin, duchesse de Brancas, die marechalle de
Clerembeau
[1] undt meine dame d’atour, madame de Chasteautier,
[2] Lenor
undt ich sahen zu. Donnerstag, so baldt ich ahnkam, rüstete ich
mich wider ein. Hernach kam monsieur le Dauphin,
[3] mein
nachbar, zu mir. Es ist ein schön kindt, aber gar nicht woll erzogen,
sondern gantz verwendt.
[4] Er ist zart und delicat; man fürcht,
wen er flennen solte, also lest man ihm thun, waß er will. Abendts
spät bracht man mir Ewer liebes schreiben vom 13 dießes monts.
Ich habe der Lenor ihrer dochter brieff geben, sie kan aber nicht
drauff andtworten, den sie hatt große schmertzen ahm rechten
daumen. Sie will nicht gestehen, daß es daß pottegram ist; allein es
ist starck geschwollen, rodt undt glitzerig, glaube also fest, daß es daß
pottegram ist, ob sie es zwar sehr leügnet. Sie kan den daumen nicht
rühren. Es kam ihr gestern auff einen stutz ahn mitt so großen
schmertzen, daß sie die gantze nacht nicht davor hatt schlaffen können. Jetzt
komme ich auff Ewer liebes schreiben vom 13, liebe Louise! bin fro, zu
sehen, daß unßer coramerse nun gantz eingericht ist. Vergeßen
[5] bin
ich, daß muß ich gestehen undt kans nicht leügnen; den ich habe
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leyder daß schlimbste gedächtnuß von der welt.
[6] Seyder meinen
kinderblattern
[7] ist mir daß gedächtnuß so geschwecht; den ich hatte
so viel kinderblattern in dem kopff, alß eüßerlich; den ich habe die
außgetruckte plattern der mondt nach einander gebutzt undt
gespien. Daß alter aber thet es woll von sich selber; den 62 jahr
seindt keine jugendt nicht. Daß schlimme gedachtnuß macht mich
alß förchten, daß ich baldt kindisch werde werden; den daß fengt
ordinari bey dem vergeßen ahn. Gott wolle mich gnädig davor
bewahrn! wolte lieber sterben. Ich bin in sorgen wegen Ewer
kopffwehe; verlange sehr, wider zeittung von Eüch, liebe Louisse, zu
haben, umb zu erfahren, wie es mitt Eüch stehet; den ich fürchte
sehr, daß eine kranckheit drauß werden mögte. Gott gebe, daß ich
mich betriege undt daß ich baldt erfahren möge, daß Ihr wider in
volkommener gesundtheit sein möget! So große freüde man auch
in Londen bezeugt, so trawe ich doch den Engländern kein haar.
[8]
Aber da kompt madame la princesse
[9] herrein; so baldt sie weg
wirdt sein, werde ich außschreiben. Madame la princesse mitt
ihrer schönnen enckel, mademoiselle de Clermont,
[10] geht alleweill
weg, ist eine gutte stundt hir geweßen. Ihr schön enckel heist
mademoiselle de Clermont, man kan kein schonner gesicht mahlen.
Viel leütte, so madame de Mazarin gesehen, finden, daß sie ihr
gleicht, aber hübscher ist. Ich komme aber wider auff Ewer
schreiben. Vor den könig, vor printz Ernst August undt die printzes,
wie auch daß kleine printzgen, vor die alle interessire ich mich von
hertzen; aber wie man mir den printz de Galle beschriben, kan er
mir gar nicht gefallen; den die maniren des petit maistre et
marquis, so kan ich die leütte nicht leyden, unter unß gerett. Der
peuple ist allezeit insolent undt unbeständig, heütte brenen sie ihren
geweßen könig. Gott gebe, daß die zeit nicht kommen mag, daß
sie den itzigen könig auch brenen werden! Den, wie schon gesagt,
so trawe ich den Engländern kein haar. Wir haben gar nichts
neues hir. Adieu, liebe Louise! Ewer brieff ist vollig beantwortet,
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bleibt mir also nichts mehr überig, alß Euch zu versichern, daß ich
Eüch all mein leben von hertzen lieb behalten [werde].