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Brief vom 15. Februar 1715

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


686.


[519]
Versaille den 15 Februari 1715.
Hertzallerliebe Louisse, vergangen sontag stundt[1] ich expresse umb 8 auffgestanden (daß ist ein stundt eher, alß ordinari), gantz expresse in hoffnung, ahn Eüch undt mademoiselle de Malause zu schreiben so woll alß ahn mein dochter. Aber den gantzen langen morgen, auffs wenigst von 10 biß halb 1, konte ich ohnmöglich zum schreiben gelangen; den ich hatte selbigen morgen den abgesandten von Sicillen, nach dem den von Hollandt, monsieur Buis,[2] den envoyes von Schweden, monsieur Croonstrom,[3] den von Denemarck, so monsieur Warnich, den von Hessen, monsieur Dalwich, den von [520] Parme, comte de Rivasso, undt noch viel leütte von hoff, das es mir vormittag unmöglich war, einen eintzigen brieff zu schreiben. Nachmittags habe ich ahn mademoiselle de Malauze undt mein dochter geschrieben. Wie ich eben meiner dochter brieff endigen wolte, kam ein edelman auß Lotheringen undt bracht mir einen neüen großen brieff von meiner dochter, welchen ich gleich beantworten muste, welches biß gegen 10 wehret; dazu bekamme ich viel vissitten von damen, muste also meine andtwort ahn Eüch, liebe Louisse, vor heütte verschieben. Ich hette gern gestern ahngefangen, allein wir fuhren auff die hirschjagt mitt dem könig; fürchte sehr, daß ich noch sehr in eyll werde schreiben müßen, den es fengt schon ahn spät werden. Heütte habe ich schon viel interuptionen gehabt; ein courier von meiner dochter, durch welchem ich schon 7 bogen geschrieben; mein enckel, der duc de Chartre, ist mitt ein hauffen junge buben von seinen spielcammeradten herein kommen, die haben so gerast, daß ich nicht habe schreiben können. Der ist nicht so baldt mitt seiner geselschafft auß der cammer geweßen, so ist seine fraw mutter herrein kommen, die ist eine großen geschlagene stunde hir geblieben; also habe ich nicht eher ahnfangen können zu schreiben, alß nun, da es schon halb 7 geschlagen hatt. Ob ich außschreiben werde können, weiß ich nicht, aber woll, daß dieße [post] nicht abgehen wirdt, ohne Eüch, liebe Louisse, einen brieff von mir zu bringen. Ich förchte, liebe Louisse, daß Ihr noch mitt flüßen geplagt seydt; den dieße woche habe ich gar nichts von Eüch entpfangen. Wen dem so ist, so wünsche ich, daß Ihr nicht lang in Engellandt bleiben mögt. Ich beklage Eüch, ader gelaßen zu haben undt artzeneyen; daß kompt mir verdrießlicher vor, alß eine kranckheit selber. Ich haße nichts mehrers, kan leicht dencken, daß Ihr übel wollen, Eüch so zu martirissiren zu laßen; daß were meine sach woll gantz undt gar nicht. Mademoiselle de Malausse hatt mir sehr gerümbt, wie Ihr schuldig seydt, daß sie woll bey hoff ist entpfangen worden, sowoll von der printzes von Wallis, alß der gräffin von Buckeburg. Sie hatt eine ware erkandtnuß davor; sie ist viel erkändtlicher vor die geringste freündtschafft, so man ihr erweist, alß die Frantzoßen ordinarie sein; es ist warlich ein recht gutt mensch. Sie ist sehr content von der printzes von Wallis; aber man muß die warheit sagen, dieße printzes macht sich bey jederman beliebt; ich selber, ob ich sie zwar mein [521] leben nicht gesehen, habe sie doch lieb undt wünsche I. L. taußendt glück undt prosperitet. Ich habe heütte einen malteischen ritter gesehen, so deß churfürsten von Triers leibquart commandirt undt herr von Bevern heist; der rümbt die printzessin über die maßen auch. Engellandt muß den printz von Wallis auch verbeßert haben, weillen er Eüch auch höfflich zugesprochen hatt. Ich werde viel lieber ein billiet von I. L. entpfangen, alß ein secretariusbrieff, wie vom könig undt ihrem herrn. Daß were gutt vor frembten, aber vor so gar nahe verwanten, alß wir sein, deügt daß den teüffel nicht. Ich sehe kein ursach, warumb die printzes mich anderst, alß I. L., tractiren solte; die bayerische Dauphine undt ich haben einander nie anderst geschrieben. Man weiß hir nicht, daß mylord Pfings hir ambassadeur sein [werde]; man meint hir, mylord Stairs würde hir bleiben undt abgesandter werden. Mylord Graffton[4] kenne ich gar woll; er ist nicht mitt mylord Stairs herkommen, es seye dan, daß er heimblich zu Paris; bey hoff hatt er sich gar nicht gewießen. Von dem stein von Goa habe ich Eüch vollige nachricht in meinem letzten schreiben geben.[5] Ich bin nun, gott lob, all zimblich gesundt; es fehlt mir nichts, umb perfect gesundt zu sein, alß gutte knie zu haben; den daran leyde ich sehr. Ihr könt den trost haben, liebe Louisse, daß der könig (hette schir churfürst gesagt) durch daß übelle tractement, so er Eüch thut, sich selber mehr tord thut, alß ahn Eüch; den dadurch gibt er sein caprice undt karchheit[6] ahn tag, den man kan Eüch nichts vorwerffen. So sachen machen mich recht ungedultig. Monsieur von Bennigsen sehe ich selten, habe ihn nur zweymahl gesehen, seyder er hir ist. Ich werde ihm nichts sagen, weillen Ihr es nicht wolt; aber hettet Ihr mirs nicht verbotten, würde ich ihm gar gewiß davon gesprochen haben; den ich gestehe, daß daß boße tractement, so man Eüch thut, mich recht piquirt. Es ist auch unerhört, aber ich glaube, es ist Ewer undt mein stern, allezeit im boßen distinquirt zu werden. Umb generös zu sein, müste der konig seinem herr vatter undt fraw mutter nachschlagen, so wir bißher noch nicht gesehen haben; ist beßer, drauff zu wartten, alß drauff zu fasten, wie man im sprichwort sagt. Weytter will ich nichts hirauff sagen. Ich habe den mylord Petterbouroug[7] allezeit vor einen verlogenen [522] bößen menschen ahngesehen, wie er auch ist. Daß fest, davon Ihr schreibt, [davon] hatt man hir nichts gehört. Wir haben auch hir die rechte hollandische zeittungen nicht; die hießige wirdt zu Lisle gemacht, also mag ich sie nicht sehen. So baldt ich sie bekommen, gebe ich sie ahn mein premier escuyes, den comte de Mortagne,[8] habe also nichts von dem fest gehört. Ich weiß nicht, waß ein polemelle[9] ist; ist es vielleicht ein maill? Daß Ihr wegen Ewer eygene gemächlichkeit nicht bey Ewerm schwager zu logiren [wünscht], daß laß ich gelten; aber daß man Eüch, wie Ihr Ewere niepce kranckewartterin geweßen, hatt laßen in Ewer hauß gehen zu mittag undt zu nacht eßen, daß kan ich ohnmöglich aprobiren. Ihr habt weder heßlich, noch unläßlich geschrieben; ich solte meinen, gar schön zu schreiben, wen ich so schreiben könte wie Ihr, liebe Louisse![10] Daß freüllin, so hoffmeisterin bey den königlichen printzessinen in Engellandt ist, ist sie von den Gemingern, so wir ahn unßerm hoff zu Heydelberg gehabt undt die man die Gemingen von Miche[l]felt geheyßen hatt? Hiemitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwortet. Es bleibt mir nur noch überig, Eüch zu bitten, dießen hir beyligenden brieff ahn mademoiselle de Malause zu schicken vor den dockter Mendes; sie weiß, waß es ist. Adieu, hertzliebe Louisse! Ich ambrassire Eüch von hertzen, undt so lang ich lebe, werde ich Eüch recht lieb behalten.
P. S.
Ich bitte, entschuldigt die fehler! Den ich habe noch 3 brieff zu schreiben, kan diß nicht überleßen.[11]
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 15. Februar 1715 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 519–522
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0686.html
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