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St Clou den 11 May 1718 (N. 75).
Hertzallerliebe Louise, es ist heütte zwar kein posttag, aber
wie ich morgen bey madame de Berry a la Meutte zu mittag eßen
werde undt morgendts ahnfangen, endtweder ahn mein dochter oder
ahn die printzes ahnfangen, zu schreiben vor übermorgen, also werde
ich heütte ahnfangen, auff Ewer liebes schreiben vom 26 April zu
andtwortten, damitt die post nicht fehlen mag. Abendts, wen ich
wider von la Meutte werde kommen sein, werde ich meinen brieff
außschreiben, nun aber auff Ewer liebes schreiben andtwortten.
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Mein sohn hatt die ceremonie von seinem herrn vatter gelernt, so
kein großes fest, alß ostern, weienachten, pfingsten, fehlte, so in undt
auß der kirch zu fahr[e]n; also ist es mir gar nichts neües. Ich liebe
die große ceremonien weniger, alß niemandts, ich will aber auch,
daß ein jedes nach seinem standt lebt, ein fürst wie ein fürst, ein
edelman wie ein edelman, ein könig wie ein könig undt so forthan.
Die printzes von Wallis jammert mich woll von grundt der seelen.
Wen man ursach hatt, seine kinder zu filtzen oder zu straffen, so
mag mans thun; aber sie ewig zu zergen
[1] undt alles zuwider zu
thun, findt ich gar nicht fein, noch noble. Die zergerreyen seindt
zu nicht nutz, geben nur erbitterung undt helffen zu nichts. Ich
sage noch mehr, es erweist ein böß gemühte, lust zu nehmen, leütte
verdruß ahnzuthun, ohne daß es zu waß helffen, nur umb zu
quellen; daß lernt
[2] daß evangell[i]um nicht, daß erweist nicht allein
kein vatterliches hertz, sondern auch nicht die christliche liebe, so
man dem negsten schuldig. Daß hatt er weder von herrn vatter,
noch fraw mutter gelehrnt; kan mich recht verdrießen, den
wegen seiner eltern mögt ich dießen könig gern lieb haben undt
mitt solchen maniren kan ich es nicht, den sie seindt mir zuwider.
Zudem so habe ich die printzes lieb undt kan nicht leyden, daß
man sie so erschrecklich plagt. Ihr werdet auß meinen schreiben
ersehen haben, daß ich eher, alß Ihr, gewust, wie es mitt dem
freüllen von Gemingen gangen; aber vor 6 mont haben die
Engländer hir sich schon verlautten laßen, daß es nicht außzustehen
were, daß die englische königlich printzessinen durch keine
englische dame erzogen würden. Der printzes Anne ist dieße sach
sehr zu hertzen gangen, hatt mich auch gejamert. Ich habe den
oberjägermeister
[3] nicht gekandt, aber hergegen ist sein vatter,
der Eberfritz,
[4] undt sein mutter, daß Evel, mir woll bekandt
geweßen, habe sie beyde liebe gehabt, insonderheit da[s] Evel.
[5] Alle
leütte, so so rechtmäßige betrübtnuß haben, wie die fraw von
Veningen hatt, jammern mich von hertzen. Es ist abscheülich, so viel
brüder in einem hauß zu [haben] undt daß so wenig erben
überbleiben. Ich sehe woll, daß Ihr noch nicht wist, liebe Louise, daß
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der Veningen sohngen mitt seinem vatter gestorben ist. Nun will
ich meine pausse auff morgen machen. Ewer liebes schreiben ist
völlig beantwortet. Morgendt abendts werde ich Eüch verzehlen,
wie unßere malzeit a la Meutte abgeloffen ist.
Donnerstag, umb 8 abendts, 12 May.
Es ist eine gutte halbe stundt, daß wir von der Meutte
kommen sein, wo wir ein magnifique mahlzeit gehabt haben. Ich habe
aber nicht viel eßen können, den seyder meiner letzten aderläß ist
mir daß eßen wieder gantz verleydt, weiß nicht, wens wider
kommen wirdt, frag nichts darnach. Ich habe seyder gestern gar nichts
neües erfahren. Nach dem eßen haben wir a la Meutte hocca
gespilt; ich habe biß halb 7 gespilt undt nur 2 Louis d’or verlohren.
Wie ich ins holtz bin kommen, habe ich mademoiselle de Valois
zu pferdt begegnet, auff der brücken die 2 duchessen undt
mademoiselle de Clermont, undt wie ich herkomen, habe ich hir im
hauß mademoiselle de Monpensier undt den abgesanten vom keyßer
gefunden, und die 2 duchessen seindt widerkommen; drumb schreib
ich Eüch so spät, liebe Louisse! Ich weiß gantz undt gar nichts
neües, werde also vor dießmahl schließen undt Eüch nur versichern,
daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte.