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Brief vom 26. Mai 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


918.


[268]
St Clou den 26 May 1718, umb halb 7 morgendts (N. 79).
Hertzallerliebe Louise, gestern abendts war ich vor 10 in mein bett, also kan ich woll itzunder schreiben. Es ist dieße nacht eine hitze geweßen, wie in den hundtstagen. Es ist jetzt nicht kühler, der himmel ist doch überzogen, mögte woll ein wetter geben; ich wolte es, damitt daß der regen den abscheülichen staub ein wenig [269] abschlagen mag, undt ich förchte den donner gantz undt gar nicht; die Rotzenheusserin will verzagen, wens donnert; die duchesse de Bery liebt ihn auch nicht. Mir kompts wie ein magnific specktacle vor undt macht die allmacht gottes admiriren, wie wunderbarlich er alles in der natur gemacht hatt. Aber ich will nicht länger hirvon raisonniren, sondern komme ahn Ewer liebes schreiben vom 10 dießes monts, so ich vergangenen sontag nicht habe vollig beantwortten können. Ich war geblieben, waß Ihr, liebe Louisse, von meiner aderlaß sagt. Mein sohn hatt man harter ahngegriffen, alß mich; den sie haben ihm 20 ontzen bludt gelaßen. Daß hatt ihn aber gar nicht gesch[w]egt, contraire, er findt sich beßer undt stärcker, er sicht auch beßer auß undt nicht so violet, alß er war. Er wolte ahnfangs nicht davon hören; wie er aber verspürdte, daß ihm ein starck kopffwehe ahnkam, wen er ein wenig starck gearbeyt hatte, so hatt er sich auff einmahl dazu resolvirt undt sontag umb 4 morgendts seinen feltscherer hollen laßen undt zur ader gelaßen. Mein leben habe ich kein kopffwehe bey dem aderlaßen gehabt, alß dieß letzte mahl. Die lufft ist gar gutt undt pur hir; ich genieße es alle tag braff, fahr umb 6 auß biß halb 8, die halbe stundt gehe ich zu füß. Daß kompt mir aber sehr schwer ahn; den ich habe gar keine stärck, noch krafften mehr in den schenckelen leyder, welches desto betrübter vorkompt, daß ich vor dießem 5 gantzer stundt habe gehen können, ohn ein augenblick müde zu werden. Nun kan ich die geringste stiegen nicht mehr steygen, undt wen ich ein halb stündtgen gangen, bin ich müde undt kan nimer fort. Es ist eine ellende undt betrübte sach umb alter; 66 jahr ist auch keine vexirerey. Übermorgen werde ich sie volkommen haben; den der 28 May n. stiel macht jetzt just den 17 alten stichls, also wirdt es den 28 mein geburdttag sein. Man kan kein schönner wetter haben, alß wir nun; aber ein wenig regen were woll zu wünschen, den der staub ist abscheülich. Meins sohns aug ist weder beßer, noch schlimmer, alß es geweßen. Er schont es gantz undt gar nicht, geht mitt im staub undt list undt schreibt viel. Daß muß er thun; auch glaube ich, daß es ihm nicht viel schaden solte, wen er nur sonst in seinem leben regullirter were, in eßen, drincken etc. Aber dazu hilfft weder wahrnen, noch sagen; wen man ihm davon spricht, sagt er: Ich habe vom 6 morgen biß in die nacht schwere undt langweillige arbeytten; wen ich mich deß nachts nicht ein [270] wenig lustig machte, konte ichs nicht außstehen, müste vor melancoly sterben. Die ahn dem brandt zu Paris gelitten, seindt schon wider getröst; man hatt quette[1] vor ihnen gassenweiß gethan, werden baldt alles wider ersetzt haben. Es ist nicht war, daß das spital de l’hostel-dieu verbrandt ist. Die leütte, so drin gestorben, seindt nur auß forcht gestorben, alß schwangere weiber, oder die im kindtbett. Aber daß feüer ist nicht biß dahin gekommen. Man hatt heüßer abgebrochen, umb es zu wehren, undt daß spital so salvirt. Also macht Eüch weytter keine sorgen drüber! Ihr soltet nicht in die lufft gehen, so lang Ihr Ewern fluß auff den zahnen habt; den daß wirdt es gewiß noch ärger machen, insonderheit, liebe Louise, wofern Ihr mitt Ewerm backen in die nachtlufft geht, welches schwer zu verhütten, wen man vissitten gibet, indem man sie woll jetzt erst nach der promenade geben wirdt konnen. Undt wer kan jetzt vor 6 abendts außfahren? Undt umb halb 8 ist es nacht undt es kompt bey sonnen-untergang alß eine feüchtigkeit, so den flüßen sehr gefährlich undt schadtlich ist. Die großen geselschafften gönne ich Eüch, liebe Louise, lieber alß mir, den da finde ich keine lust in. Wie ich sehe, so ist Churtrier hofflich, daß er so mitt allen damen spricht. Er ist, glaube ich, auch teütscher meister.[2] Ich habe einmahl eine medaille in bley von dießem herrn gesehen; daß gliche meinem bruder s. so sehr, daß ich meinte, daß er es were. Sagt mir doch, liebe Louise, ob er ihm in der that gleich sicht! Ihr hettet woll schrifftlich aufsetzen konnen, waß Ihr Churtrier zu sagen hettet, undt solches I. L. überreichen. Daß hetten andere nicht hören konnen undt man würde nicht geargwohnt undt subconirt haben, daß Ihr ihm ein poulet[3] überreicht. Ich sehe mitt mühe, daß Ihr Eüch so sehr umb die schonbergischen sachen quelt, wovon Eüch weder danck, noch profit kommen wirdt. Ich meinte, die Wetzel wehren ein gar alt hauß; den der cammerjuncker bey I. G. unßerm herr vatter war undt geschwisterkindt mitt dem Veningen war, passirt vor ein gutt undt alt geschlegt; man hieß ihn Wetzel von Marsillen; dieße, davon Ihr sprecht, seindt vielleicht andere Wetzel. Wo man pfaffen in den religionen gewehren lest, fangen sie den teüffel [an]. Ihr habt ursach genung, liebe Louise, Eüch umb Ewere eygene sachen zu bekümern, ohne [271] Eüch noch umb die schonbergischen sachen zu betrüben. Ihr sagt nicht, von welchem hauß der thumpropst von Wurmbs ist. Es seyndt e[t]liche leütte, so lang in einen standt bleiben, undt hernach felts auff einmahl. Ich habe schon viel so gesehen. Ich revier,[4] den Ihr sagt mir ja, daß es ein herr von Honeck ist, bitt umb verzeyung. Die printz[essin] von Wallis schreibt mir, sie hette freüllen Gemingen zur bettschamber-woomen[5] gemacht. Waß diß vor eine charge ist, weiß ich nicht; den ich weiß die englische maniren undt chargen gantz undt gar nicht. Aber Ihr, liebe Louise, die Ihr lang in Englandt geweßen seydt, werdt es woll wißen. Der konig in Englandt wirdt in allen stücken so wunderlich undt hart, daß ich mich nicht genung über ihn verwundern kan; den ich weiß nicht, wo er es her hatt; den daß gleicht weder ahn herr vatter, fraw mutter, noch oncle. Die englische lufft muß daß machen. Ich kan nicht errahten, noch begreiffen, waß auß dießem allem wehren[6] wirdt. Ich glaube, daß die discorde in allen landern ihr gifft geschüdt hatt; den überall hört man nichts, alß uneinigkeit. Es geht schir, wie es in der zeit gehen soll, wen der jüngste tag kommen soll.[7] Waß hatt aber der landtgraff von Darmstat gegen seinen herrn sohn, daß sie uneinig sein?[8] Man thut doch woll, es geheim zu halten. Hiemitt ist Ewer schreiben vollig beantwort, will also schließen. Entpfange ich dießen nachmitt[ag] von Ewern lieben schreiben durch meinen ordinarie courir, werde ich Eüch noch weytter schreiben, wo nicht, so nembt hirmitt vorlieb, liebe Louise, undt seydt versichert, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte!
Donnerstag umb ein viertel auff 9 abendts.
Ich bin nicht in meiner hoffnung betrogen worden; den ich habe dießen abendts Ewer liebes schreiben vom 14, no 38, entpfangen, worauff ich dießen abendt noch hoffe zu andtworten, ehe ich mein salädgen eße. Ich habe woll gedacht, daß Ewer backen schlimmer werden würde, weillen Ihr mitt in der lufft undt in die [272] hitze gangen. Es war mir gleich leydt, wie ich es in Ewerm letztem schreiben gesehen hatte. Daß geringste, so drauß entstehen kan, ist ein braff geschwer im backen. Ich habe es ahn die königin s. undt dem duc de Berry so gesehen; denen hatt man allen beyden die backen mitt einer lancet öffenen müßen, haben große schmertzen dran gelitten. Gott bewahr Eüch, daß es Eüch nicht auch so gehen mag! Den letzten habe ich gewahrnt, hatt mir aber nicht glauben wollen. Mein geburtstag wirdt, wie ich schon gesagt, übermorgen sein; dancke Eüch gar sehr vor Ewer gutte wünsche, liebe Louise! Nach aller aparentz werde ich mein jahr gesundt ahnfangen; den ich befinde mich, gott lob, nun gar woll undt so woll, alß ein weib in meinem alter sein kan. Daß 67 jahr, worin ich trette, ist kein alter, wo große lust oder vergnügen mehr zu hoffen. Wen man nur nichts schlimers hatt, muß man gott dancken undt sich zufrieden geben. Der vice-cantz[l]ey-director wirdt nicht sehr zu Heydelberg beklagt werden. Ich finden den schleünigen todt nicht so abscheülich, alß den, wo man sich mitt adieu-sagen daß hertz nur schwer macht. Ihr segt,[9] liebe Louisse, daß ich in dießem stück nicht Ewerer meinung sein.[10] Ich ergib, im dem[11] ich mich zu bette lege undt den abendtsegen gebett undt geleßen undt in mein bett steyge, recomandire ich mich mitt leib undt seehl gott, meinen herrn, bitt von hertzen umb verzeyung wegen meiner bewusten undt unbewusten sünden, ergebe alle ins leyden undt sterben unßers herrn Christus undt bin weitter in keinen sorgen, waß mir auch begegenen mag. Qui trop ambrasse, mal estraint. Wen Ihr Eüch nur umb Ewer eygene sachen bekümert, würdet Ihr weniger confussion haben. Ich fürcht, es wirdt Eüch mitt der zeit gereüen. L’homme propose et dieu disposse; so gehet es im leben undt im sterben. Daß kürtzte ist, sich gantz in seinen willen zu ergeben; daß thue ich auch. Ich habe noch der zeit nicht gehabt, daß papir, so Ihr mir schickt, gantz zu leßen. Biß sontag werde ich Eüch ein (wo mir gott biß da leben undt gesundtheit verleydt) andtwort drauff schreiben. Aber die sach kompt mir sehr schwer vor; den man fragt hir nichts darnach, waß man anderwerdts vor die Catholische thut. Hirmitt ist Ewer liebes schreiben vollig beantwort, werde mein salatgen gleich auff Ewere gesundtheit eßen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 26. Mai 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 268–272
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0918.html
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