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Brief vom 24. September 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1055.


[248]
St Clou den 24 September 1719, umb 3/4 auff 6 abendts (N. 23).
Hertzall[erl]iebe Louise, gott sey ewig danck, daß ich einmahl etwaß von Eüch vernehme! Den gleich nach dem eßen habe ich Ewer liebes schreiben von 12 dießes monts entpfangen; hatte es hoch von nöhten; den ich kan Eüch mitt warheit versichern, daß ich vor ängsten dieße nacht nicht habe schlaffen können; den heütte ist es die 4te post, daß ich gar nichts von Eüch, liebe Louisse, gesehen noch gehört hatte, war also in rechten sorgen vor Eüch, liebe Louisse! Wofern Ihr woll geschiffrirt habt, so fehlen mir heütte 6 posten von Eüch; den Ewer letztes schreiben, so ich von Eüch entpfangen, war vom 1, no 69, undt daß heüttige ist vom 12 September, no 77; also müßen mir, wo diß just ist, 6 brieff fehlen. Aber umb gottes willen last mich doch wißen, woran es ligt, daß mir so viel brieff fehlen! Ich bilde mir ein, daß der postmeister Wetzel unß den possen thut, wie ich Eüch schon geschrieben, weillen er in meinen brieffen wirdt ersehen habe[n], wie daß ich nicht aprobire, daß ein unadtlicher gredein[1] gräffliche lehen außgefordert. Ich gestehe, er hatt sich woll ahn mir gerochen; den er hatt mir große ängsten eingejagt; bin recht böß drüber, wolte ihm nicht rahten, bey mir lehen zu suchen, er würde gar übel ahnkommen; bin doch fro, daß er Eüch meine [briefe] recht gibt, wie auch daß Ihr frisch undt gesundt wider vom Schlangenbadt kommen seydt. Der allmachtige erhalte Eüch lang dabey! Waß ich geleßen von, wie es zu Heydelberg zugeht, hatt mir die threnen in den augen kommen machen, erstlich weillen die gutten ehrlichen Heydelberger mich von grundt der seelen jammern, undt zum andern, weillen es mir so klarlich weist, daß nichts von den meinigen mehr vorhanden ist. Daß seindt woll rechte pfaffen, so nichts deügen. Mich deücht, es ist in allem ein wunderlicher ahnstalt ahm heydelbergischen hoff; aber wo man mönchen undt pfaffen regieren lest, muß alles überzwerg gehen; dabey ist weder glück, noch segen undt nicht[s] guts zu hoffen. Aber wie kompts, daß der könig in Englandt undt der in Preüssen sich der sach nicht ahnnehmen? Daß solten sie doch auff alle weiß undt wegen thun. Die fourbery[2], so man gebraucht, [249] die h.-geistkirch zu nehmen, seindt rechte pfaffenpoßen. Fourberien kan ich vor meinen todt nicht leyden; die schicken sich woll vor harlequin in der ittallienschen commedie. Da kompt madame d’Orléans herrein.
Donnerstag, umb 9 abendts.
Madame d’Orléans fahrt wider weg, ist eine stundt hir geweßen; nun will ich ferner auff Ewer liebes schreiben andtwortten. Leütte, die sich durch pfaffen regieren laßen undt die Biebel nie leßen, denen machen die pfaffen weiß, das, waß sie gegen andere religionen thun, wischt die sünden ab von einem leichtfertigen leben; drumb laßen auch die besten sie gewehren, wie unßer armer könig s. gethan[3]. Die graffin Wießerin ist nun sehr ambarassirt; den sie hatt einen großen proces gegen der landtgräffin vom Homburg verlohren. Aber ich glaube, ich habs Eüch schon geschrieben, liebe Louisse! Es geht mir wie allen alten weibern, so daß gedächtnuß verliehren undt alß repetiren, waß sie schon gesagt haben. Die suplication von monsieur Marion werde ich meinem sohn biß donnerstag geben. Daß ist waß rares, daß ein man[4] so betrübt über seine fraw ist. Apropo von betrübtnuß, die gutte, ehrliche madame Dangeau ist ohntrostbar, sie hatt ihren eintzigen sohn vergangen mitwog abendts ahn den kinderblattern verlohren; sie jammert mich woll von grundt der seelen. Accordirt mein sohn Marions bitt, werde ich Eüch daß prevet[5] schicken; so sachen bestehen ordinarie auff exempel[6]. Ich habe Eüch schon vor länger, alß 8 tagen, geschrieben, daß monsieur Le Phevre[7] hir ist undt mitt mir gesprochen. Charton[8] pretendirt, gar woll zu erweißen, daß er trew gedint hatt. So sachen verstehe ich gar nicht, drumb habe ich den Le Phevre ahn meine[n] advocatten gewießen, der gar ein gelehrter undt gescheydter man ist undt gar ein ehrlicher man. Adieu, hertzallerliebe Louisse! Mich verlangt, biß ich vernehme, daß Ihr mein contrefait bekomen, so ich Eüch zur St Clouer kirbe[9] geschickt. [250] Es ist mir bang, man stihlt es Euch auff der post. Adieu! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch allezeitt von hertzen leydt[10].
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 24. September 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 248–250
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1055.html
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