[363]
Paris, den 28 December 1719 (N. 50).
Hertzallerliebe Louise, heütte habe ich kein schreiben von Eüch
entpfangen, werde nur auff daß von 9, no 95, andtwortten. Heütte
morgen habe ich einen großen brieff ahn die königin von Preüssen
beandtworttet. Ich will aber nicht zu bett gehen, biß daß Ewer
liebes schreiben auch möge beantwortet sein. Vorgestern ist der
courier von Rom mitt der dispense von
[1] papst ahngestochen
kommen
[2]. Also, so baldt alle unßerer braudt sachen werden fertig
sein, wirdt daß beylager gehalten werden
[3]. Ich wolte, das es
schon vor 2 oder 3 jahren geschehen were. Mehr kan ich auff
dießen text nichts sagen, man mögte sonst zu weit nein komen. Ich
dancke Eüch, liebe Louisse, vor Ewer compliment. Ich meritire,
daß man mich complimenten hirüber macht; den gewiß niemandts
in der welt froher drüber ist, alß ich. Alles ist in gottes handt;
wen er die leütte unglücklich will machen, ist nichts dargegen zu
thun. Wir verdinnen offt unßer unglück; nehmen wirs, wie es
schuldig ist
[4], kan gott offt alles unglück in glück verdrehen;
wenden wir unß aber nicht zu gott, so ist es seiner gerechtigkeit
[gemäß], unß zu straffen. Man sagt gar viel guts von
[5] printzen von
Modene; er soll ein gar gutt gemühte haben undt gutten verstandt,
nicht schön von gesicht sein, aber woll geschaffen undt sehr
raisonabel. Dießer printz solle gantz verliebt von seiner zukünfftigen
gemahlin contrefait geworden sein; er jammert mich von grundt
meiner seelen. Gutte eben seindt in allem rar; aber ich habe vielle
gesehen, so sich auß purer lieb geheüraht haben undt sich hernach
gehast wie den teüffel undt sich noch haßen. Glücklich, wer nicht
geheüraht ist. Wie froh were ich geweßen, wen man mir hette
[364]
erlauben wollen, einen gutten einsambkeit zu führen
[6] undt mich nicht
zu heürahten! Solle ich Eüch die rechte gründliche warheit sagen,
warumb unßere printzen undt printzessinen einander so haßen? Die
ursach ist, daß sie alle den teüffel nichts deügen
[7]. Die junge
printzes de Conti ist immer lustig, ihr gröste unglück, da macht sie
poßen auß, daß man ohnmöglich daß lachen halten kan; weindt ihr
leben nicht undt ist immer lustig. Ich filtz Lenor alle tag auß,
daß sie sich nicht über ihrer dochter heüraht sich trösten kan. Waß
kan sie davor, daß ihre dochter eine impertinente ist? Sie solte
sie nur mitt ihrem großnaßigten man lauffen laßen; er wirdt sie
schon braff bezahlen. Ich kene die Frantzoßen undt weiß, wie ihre
heüraht sein. Mich deücht, ich habe den nahmen von Hunerfelt
[8]
mehr gehört, aber den nahmen von Stättern kene ich nicht. Aber
wie kan ein man von gutten hauß eine fraw nehmen, so nicht vom
adel undt 14 kinder hatt? Auff monsieur Marions schreiben hab
ich schon geantwortet. Er ist seyderdem nicht wider zu mir
kommen. Ich meinte, er solte mir noch ein memoire bringen, worinen
ich ihnen helffen kan; werde mi[c]h gern seiner ahnnehmen, weillen
Ihr Eüch. liebe Louise, vor ihn interessirt. Vor Ewere niepcen kan
monsieur le Fevre
[9] mein zeüge sein, daß ich alles thue, waß bey
mir bestehet. Es seindt die erben von mademoiselle d’Aumalle
[10], so
den grosten ambaras verursachen. Monsieur le Roy
[11], mein advocat,
hofft doch, daß alles gutt werden wirdt. Ich bin der
millionen-discours so müde, alß wen ichs mitt lofflen gefreßen hette, wie man
im sprichwordt sagt, undt den abscheülichen interesse, wo alles hir
steckt, niemandts außgenohmen, alß madame de Chasteautier
[12] undt
mein sohn; eckelt einem recht. Wen daß wetter so fortfahrt, zu
frieren, undt die Seine zugeht, werden wir alle verfriehren undt vor
hunger sterben; den es kan weder holtz kommen, noch vieh sein
futter haben, also wirdts alles hunger sterben undt verfriehren. Es
ist wahrlich keine vexirerey; Paris ist zu voller leütte. Gestern abendt
kam der junge graff von der Bückeburg nach Paris, hette schir, alß
er mir dießen abendt verzehl[t], auff der gaßen liegen müßen. Man
kan keine cammer finden, alles ist voller leütte. Es scheindt ein
[365]
feiner junger mensch zu sein. Zettel wirdt man die menge haben,
aber kein golt. Daß ist woll war undt ich sage es allezeit, es ist
kein exempel gehört, daß es zugangen, wie bey meines so[hns]
regence, undt man kan hirauff nicht sagen, wie der Salomon, daß
nichts neües unter der sohnen
[13]; den waß monsieur Laws außricht,
ist nagelneü. Vor etlichen tagen hatt man einen dieb ertapt, so
eine kist wegtragen wollen; wie mans bey dem ligt
[14] besicht, [ist]
es ein sohn von der armen fraw, so mein taffel-weißzeüg fournirt.
Die arme ist eine gutte, ehrliche fraw; die hatt ihren sohn
verlohren gehabt undt findt ihn so wider; daß ist doch zu erbarmen.
Vor kurtzer zeit hatt man 28 dieb auff einmahl ertapt. Habt Ihr
den keine kutzsch von samet? Mich deücht, alle leütte von qualitet
haben solche. Mein husten vergeht, gott lob! werde also biß
sontag, umb me[i]n jahr woll zu schließen, zum h. abendtmahl gehen, ob
gott [will], Eüch hernach versichern, wie daß ich allezeit bin undt
bleibe die person von der welt, so Eüch, liebe Louise, ahm
liebsten hatt.