Seitenbanner

Brief vom 28. Dezember 1719

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1082.


[363]
Paris, den 28 December 1719 (N. 50).
Hertzallerliebe Louise, heütte habe ich kein schreiben von Eüch entpfangen, werde nur auff daß von 9, no 95, andtwortten. Heütte morgen habe ich einen großen brieff ahn die königin von Preüssen beandtworttet. Ich will aber nicht zu bett gehen, biß daß Ewer liebes schreiben auch möge beantwortet sein. Vorgestern ist der courier von Rom mitt der dispense von[1] papst ahngestochen kommen[2]. Also, so baldt alle unßerer braudt sachen werden fertig sein, wirdt daß beylager gehalten werden[3]. Ich wolte, das es schon vor 2 oder 3 jahren geschehen were. Mehr kan ich auff dießen text nichts sagen, man mögte sonst zu weit nein komen. Ich dancke Eüch, liebe Louisse, vor Ewer compliment. Ich meritire, daß man mich complimenten hirüber macht; den gewiß niemandts in der welt froher drüber ist, alß ich. Alles ist in gottes handt; wen er die leütte unglücklich will machen, ist nichts dargegen zu thun. Wir verdinnen offt unßer unglück; nehmen wirs, wie es schuldig ist[4], kan gott offt alles unglück in glück verdrehen; wenden wir unß aber nicht zu gott, so ist es seiner gerechtigkeit [gemäß], unß zu straffen. Man sagt gar viel guts von[5] printzen von Modene; er soll ein gar gutt gemühte haben undt gutten verstandt, nicht schön von gesicht sein, aber woll geschaffen undt sehr raisonabel. Dießer printz solle gantz verliebt von seiner zukünfftigen gemahlin contrefait geworden sein; er jammert mich von grundt meiner seelen. Gutte eben seindt in allem rar; aber ich habe vielle gesehen, so sich auß purer lieb geheüraht haben undt sich hernach gehast wie den teüffel undt sich noch haßen. Glücklich, wer nicht geheüraht ist. Wie froh were ich geweßen, wen man mir hette [364] erlauben wollen, einen gutten einsambkeit zu führen[6] undt mich nicht zu heürahten! Solle ich Eüch die rechte gründliche warheit sagen, warumb unßere printzen undt printzessinen einander so haßen? Die ursach ist, daß sie alle den teüffel nichts deügen[7]. Die junge printzes de Conti ist immer lustig, ihr gröste unglück, da macht sie poßen auß, daß man ohnmöglich daß lachen halten kan; weindt ihr leben nicht undt ist immer lustig. Ich filtz Lenor alle tag auß, daß sie sich nicht über ihrer dochter heüraht sich trösten kan. Waß kan sie davor, daß ihre dochter eine impertinente ist? Sie solte sie nur mitt ihrem großnaßigten man lauffen laßen; er wirdt sie schon braff bezahlen. Ich kene die Frantzoßen undt weiß, wie ihre heüraht sein. Mich deücht, ich habe den nahmen von Hunerfelt[8] mehr gehört, aber den nahmen von Stättern kene ich nicht. Aber wie kan ein man von gutten hauß eine fraw nehmen, so nicht vom adel undt 14 kinder hatt? Auff monsieur Marions schreiben hab ich schon geantwortet. Er ist seyderdem nicht wider zu mir kommen. Ich meinte, er solte mir noch ein memoire bringen, worinen ich ihnen helffen kan; werde mi[c]h gern seiner ahnnehmen, weillen Ihr Eüch. liebe Louise, vor ihn interessirt. Vor Ewere niepcen kan monsieur le Fevre[9] mein zeüge sein, daß ich alles thue, waß bey mir bestehet. Es seindt die erben von mademoiselle d’Aumalle[10], so den grosten ambaras verursachen. Monsieur le Roy[11], mein advocat, hofft doch, daß alles gutt werden wirdt. Ich bin der millionen-discours so müde, alß wen ichs mitt lofflen gefreßen hette, wie man im sprichwordt sagt, undt den abscheülichen interesse, wo alles hir steckt, niemandts außgenohmen, alß madame de Chasteautier[12] undt mein sohn; eckelt einem recht. Wen daß wetter so fortfahrt, zu frieren, undt die Seine zugeht, werden wir alle verfriehren undt vor hunger sterben; den es kan weder holtz kommen, noch vieh sein futter haben, also wirdts alles hunger sterben undt verfriehren. Es ist wahrlich keine vexirerey; Paris ist zu voller leütte. Gestern abendt kam der junge graff von der Bückeburg nach Paris, hette schir, alß er mir dießen abendt verzehl[t], auff der gaßen liegen müßen. Man kan keine cammer finden, alles ist voller leütte. Es scheindt ein [365] feiner junger mensch zu sein. Zettel wirdt man die menge haben, aber kein golt. Daß ist woll war undt ich sage es allezeit, es ist kein exempel gehört, daß es zugangen, wie bey meines so[hns] regence, undt man kan hirauff nicht sagen, wie der Salomon, daß nichts neües unter der sohnen[13]; den waß monsieur Laws außricht, ist nagelneü. Vor etlichen tagen hatt man einen dieb ertapt, so eine kist wegtragen wollen; wie mans bey dem ligt[14] besicht, [ist] es ein sohn von der armen fraw, so mein taffel-weißzeüg fournirt. Die arme ist eine gutte, ehrliche fraw; die hatt ihren sohn verlohren gehabt undt findt ihn so wider; daß ist doch zu erbarmen. Vor kurtzer zeit hatt man 28 dieb auff einmahl ertapt. Habt Ihr den keine kutzsch von samet? Mich deücht, alle leütte von qualitet haben solche. Mein husten vergeht, gott lob! werde also biß sontag, umb me[i]n jahr woll zu schließen, zum h. abendtmahl gehen, ob gott [will], Eüch hernach versichern, wie daß ich allezeit bin undt bleibe die person von der welt, so Eüch, liebe Louise, ahm liebsten hatt.
Impressum
Datenschutz
KontaktPost
Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 28. Dezember 1719 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 4 (1877), S. 363–365
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d04b1082.html
Änderungsstand:
Tintenfass