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Brief vom 30. Oktober 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1274.


[257]
St Clou den 30 October 1721 (N. 36).
Hertzallerliebe Louise, wie ich eben die feder nahm, umb auff Ewer liebes schreiben vom 11ten dießes monts zu antworden, entpfange ich Ewer paquet undt schreiben vom 18. Dem monsieur d’Angervillie[rs] paquet werde ich ihm unfehlbar dießen abendt schicken, aber ihm dabey zu schreiben, ist mir ohnmöglich; den ich estimire ihn gantz undt gar nicht, solicittire gegen ihm in der sach vom pfaltzgraffen von Zweybrücken undt darnach auch in den falschen [258] stücken, so er der armen ritterschafft vom Elsaß[1] gethan; also segt Ihr woll, liebe Louise, das ich ihm ohnmöglich schreiben kan. Dieß ist die ursach, warumb ich bey dießen letzten meine antwordt ahnfange. Ich bin recht erschrocken, liebe Louise, Ewern fall zu vernehmen. Fallen ist nun die große mode, unßere hertzogin von Hannover hette sich auch schir letzt mahl den halß gebrochen, ihr hacken hatt sich in ihren a-la-mode-rock gewickelt, ist also auff die letzte staffeln von ihrer stiege gerutscht, hatt sich wehe an die waden gethan, aber doch nun wieder gesundt, kam gestern her undt lacht über ihren fall von hertzen. Gott seye danck, liebe Louise, daß Ihr auch wieder courirt seidt! Ich habe allezeit daß waßer von arquebussade[2] sehr loben [hören], aber daß spiritus vom campffer könte ich nicht vertragen[3]; mich deücht, daß campffer rigt[4] wie ein stinckender ahtem. Ihr müst ihm fallen Ewern lincken fuß verstaugt haben, daß hatt Eüch vielleicht fallen machen; den wen man einen fuß verstaugt, felt man allezeit mitt. Es ist mir zu offt geschehen leyder, umb nicht zu wißen, wie es thut. Ich fürchte, liebe Louise, daß Ihr die schmertzen in den knöcheln noch lang spüren werdt. Gott gebe, daß ich mich betriege! Der kleine cardinal[5], so nun die posten hatt, will gewiß weißen, daß er es hübscher will machen, alß daß böße lachende cröttgen[6], der Torcy. Ob ich zwar dießen auch nicht lieb habe, so werde ichs ihm doch danck wißen, wen er meine brieffe recht wirdt gehen machen. Ich hatte gewiß den grünen safft, so man mir vergangen sambstag undt sontag hatt schlucken machen, hoch von nöhten gehabt; den in 4 tagen hatt es mich 28 mahl gehen machen, lautter schwartze undt gelb wie saffran große machtige schüßeln von galle. Ich glaube, vor dießem hatte ich nicht weniger ursach, alß nun, galle zu machen, aber daß continuirliche jagen undt die ahngenehme geselschafft vom konig hatt alles dissipirt. Daß kan ja nun nicht mehr geschehen, samle also alle schwartze galle in meine lincke seytte; die gibt mir nun zu zeitten daß fieber, muß also etlich mahl gelehret[7] werden, damitt ich nicht kranck werde. Es ist aber eine betrübte sach, [259] ahnstadt etwaß lustiges, zu thun müßen, waß ich ahm ungernsten [thue]. Niemandts könte hir daß citttronen-kern-pulver machen, auch habe ich keinen gehe-zorn[8], so meine galle macht, sondern eine innerliche trawerigkeit, die ich so viel verberge, alß mir immer möglich ist. Die generallin von Falckenhan undt ich müßen einander in nichts geglichen [haben]; sie war gehe-zornig, ich bins nicht, sie waß[9] hübsch undt jung, ich alt undt heßlich. Von kleydung weiß undt kan ich nicht reden. Die fürstin Ragotzi spricht polie undt de bon sens. Ich weiß ihr leben woll, muß also gestehen, daß ich mich ihrer ein wenig scheme, den alle leütte wißen ihre historien hir. Ich habe mein sohn von hertzen lachen machen, wie ich ihm gesagt, er solle nicht allein bey ihr bleiben, damitt sie ihn nicht nohtzüchtige, wie man sagt, daß dem Czaar mitt ihr geschehen. Aber da kompt mein erster haußhoffmeister ahngestochen, sagt, mein eßen wirdt kalt, ich müste eßen undt hernach hübsch frühe zu bett gehen, hatt daß ordre von monsieur Teray. Dießer erste haußhoffmeister ist jünker[10] Wendt, den Ihr mein page gesehen zu Heydelberg. Gutte nacht, liebe Louise! Seydt versichert, daß ich von hertzen wünsche, daß Ewer fuß haldt wider heiß[11] sein moge! Den ich behalte Eüch von hertzen lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 30. Oktober 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 257–259
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1274.html
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