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Brief vom 24. Oktober 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1168.


[311]
St Clou, donn[e]rstag, den 24 October 1720 (N. 37).
Hertzallerliebe Louise, seyder vergangen sontag, da ich auff Ewer letztes schreiben geantwortet, so ich den donnerstag entpfangen hatte, habe ich kein schreiben von Eüch bekommen. Die posten gehen erbärmlich, die von Englandt seindt 3 tag auffgehalten worden, die von Savoyen undt Bajonne deßgleichen. Ich habe mein leben in allem keine verdrießliche[re] zeitten erlebt, alß nun sein; es macht einen daß leben gantz müde. Dießen nachmittag hoffe ich noch etwaß von Eüch zu entpfangen, worauff ich alßden andtwortten werde. Mein courier ist noch nicht von Paris kommen, [312] er kompt erst nachmittags ahn. Ich habe mich bey dem heßlichen dunckeln nebelwetter verschlaffen machen, werde also dießen morgen nicht viel sagen können. Weillen ich gestern wegen meiner Parisser [reise] nicht habe in der Bibel leßen können, so thue ich es nun, heütte wolte ich sagen. Daß hatt mich lang auffgehalten, werde alßo dießen morgen nicht viel sagen können. Gestern käme monsieur Hoim[1] zu mir; ich fragte, wo er so lang geblieben wehre. Da wurde er gantz descontenancirt, andtwortete doch, er were schon 3 wochen zu Paris, wehre aber kranck worden, man hette ihm zur ader gelaßen; er konte den gantzen abendt nicht wider zurechtkommen. Ich weiß nicht, waß ihm fehlt. Baron spilt gestern Oedipe de Corneille. Man kan in der welt nicht beßer spillen, alß er undt seine schüllerin, die Desmare[s], thaten. Die Duclos[2] spilte auch viel beßer, alß sie bißher gethan. Daß kleine stück wurde auch gar woll gespilt, war Le cocu imaginaire[3]. Daß ist alles, waß ich Eüch von unßer kleinen reiße sagen kan, will nun meine pausse machen, dießen nachmittag erst dießen brieff außschreiben. Ich schicke Eüch hirbey ein porte-lettre, so man mir auß einem closter geschenkt, umb die gutte gewohnheit nicht zu verliehren, eine St Clouer kirbe zu schicken. Ihr werdet ein klein schächtelgen undt klein ringelgen drinen finden.
Donnerstag, den 24 October, umb 3 uhr nachmittags.
Wir seindt heütte gar spätt ahn taffel gangen; den ich habe heütte morgen ahn meine dame d’honneur schreiben müßen, die duchesse de Brancas. Die hatt der chagrin auff den todt gelegt, hatt ein continuirlich f[i]eber mitt fabelleyen, ist gar kranck. Es were mir doch leydt, wen sie sterben solte; den es were gar ein großer ambaras[4] vor mich[5] undt ambaras habe ich nicht von nöhten, habe ohne daß genung. Daß leben wirdt einem sauer, wie ich nun führ[e], allezeit in angsten, lautter ambaras auff alle ecken, undt weiß nie nichts, so hoffnung geben kan, in ruhen zu sein; undt daß hette ich doch in meinem hohe[n] alter hoch von nöhten. Mein [313] courir ist von Paris kommen, hatt mir aber nichts von Eüch gebracht, [habe] nur ein paquet von Englandt von unßerer lieben printzes von Wallis bekommen, welchen ich noch nicht habe leßen [können], werde ihn erst leßen, wen ich dießen brieff werde außgeschrieben haben, welches baldt geschehen wirdt. Den nun ich kein schreiben von Eüch habe, auch gar nichts neües weiß, kan ich wenig sagen, bin zu gritlich, umb waß poßirliches vorzubringen können, werde also vor dießmahl nichts mehr sagen, alß daß Ihr in dem porte-lettre ein klein brieffgen von madame Dangeau ahn ihre fraw schwester, der[6] fürstin von Nassau-Ussingen, [finden werdet]. Die hertzogin von Hannover wirdt haldt hir sein, sie ist schon ahm lotteringischen hoff. Schließlich versichere ich Eüch, hertzliebe Louise, nur, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte. Muß sagen, wie die teütsche comm[e]dianten: Ein ander mahl wollen wirs beßer machen.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 24. Oktober 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 311–313
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1168.html
Änderungsstand:
Tintenfass