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Brief vom 25. Juli 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1142.


[214]
St Clou den 25 Julli 1720 (N. 12).
Hertzallerliebe Louisse, ich fange heütte ein wenig spätt ahn, zu schreiben; den wie ich gestern wegen meiner kleinen Pariser reiß nicht habe meine capittel in der Bibel leßen können, habe ich es heütte gethan, welches mich 3 stundt auffgehalten; den ich habe 12 capittel geleßen, 4 im 2 buch Moses, 4 psalmen undt 4 capittel in Sanct Matheo. Zu Paris hab ich, gott sey danck, alles gar still undt ruig gefunden. Ich fuhr erst zum könig, welchen ich, gott seye danck, in gutter gesundtheit fandt; von dar fuhr ich a la Place-Royale zur großhertzogin, welche recht woll außsicht undt gantz lustig ist, aber große mühe zu reden hatt. Ich verstehe sie doch woll, den ich bin ahn ihr übel reden gewohnt. Sie machte mich lachen, wir sprachen von allerhandt sachen, unter andern von der printzes von Modene; da sagte die großhertzogin: Lorsque dans la regence de la reine mere on mena monsieur le prince et monsieur le prince de Conti, son frere, a la Bastille, on leur demanda quel livre ils voulloi[en]t pour s’amusser dans la prison. Monsieur le prince de Conti demanda une imitation de nostre Seigneur[1]. Monsieur le prince dit, qu’il ne voulloit que l’im[it]ation du duc de Beaufort, et ne croi, sagte sie que l’imitation de madame la princesse de Modene sera celle de la grand duchesse. Daß habe ich recht possirlich gefunden, daß I. L. von sich selber sagen, waß andere sagen könten. Sie lacht über sich selber undt wirdt nicht böß, wen man [215] mitt ihr über sie lacht. Hernach fuhr ich au Palais-Royal, stieg bey madame d’Orléans ab, ging hernach in mein cammer, wo mein sohn zu mir kamme, blieb aber nur ein augenblick, den es war ahngericht. Ich ging zur taffel mitt allen meinen enckeln undt damen. Nach dem eßen bekame ich schreiben von meiner dochter; daß wolte ich in der garderobe leßen, schlief ein. Lenor weckte mich, nach[dem] ich ein stündtgen geschlaffen, wieder auff undt sagte, wie meine cammer voller fürstinen war, madame d’Orléans, madame la princesse mitt mademoiselle de Clermont, die kleine printzes de Conti, ihre fraw dochter mitt ihrer dochter, mademoiselle de la Rochesurion[2]. Sie blieben bey mir, biß ich mitt aller jungen bursch in die commedie [gieng][3]. Man spilte Rodogune[4], undt daß possenspiel war Attandes moy sous lorme![5] Die Desmare[6], so Cleopattre agirte, undt Baron[7] Antiochus, die du Clos[8], man kan in der welt nicht beßer spillen, alß diese 3 personnen gethan. Sie [216] bekammen auch groß aprobation undt le parterre schlugen braff mitt den händen. Daß kleine stück deücht[e] gar nichts; la Toriliiere[9] spilte woll, aber die allerschlimbsten weiber von der troupen spilten, ging also gar übel ab. Ich kam umb halb 10 wider her; nachdem ich mein ey geschluckt, meinem lieben hundtgen zu nacht eßen geben, hab ich mich außgezogen undt bin umb halb 11 ins bett gangen. Zu Paris habe ich nichts neues erfahren, alß eine betrübte avanture, so dem marquis de Biron, meines sohns premier escuyer, gestern begegnet. Ein[e]r, so sein gutter freündt war undt capitaine des gardes du comte de Thoulouse[10], kam zu ihm; sie hatten affairen mitt einander. Er sagte zu ihm, er komme, ihm adieu sagen, er gehe nach Vichi, weillen er nicht schnauffen könne. Er hatte dießes kaum gesagt, so rührt ihn der schlag undt felt maußtodt dahin; man hatt [ihm] englische tropffen geben, allerhandt waßer, aber nichts hatt geholffen, er ist todt geblieben[11]. Nun habe ich Eüch alles gesagt von meiner reiß, waß ich weiß, muß nun eine pausse machen undt mich ahnziehen; den es ist schon über 11 undt umb 12 wirdt madame Dangeau, so zu Meudon ist, herkommen mitt ihrer schwigerdochter[12], werden mitt unß zu mittag eßen undt spatziren fahren.
Donnerstag, den 25 Julli, umb halb 4 nachmittag.
Es ist heütte Sanct Jacobi, habe also in kirch nach dem eßen gemüst. Da komme ich nun eben her, will Eüch entreteniren, biß die caleschen werden kommen sein. Ich war vergangenen sontag geblieben, wo Ihr, liebe Louise, sagt, von allen denen, so daß heürahten erlaubt ist, setzt Ihr, daß die von große estime heürahten können; aber wen daß were, würde man in dießen zeitten wenig [217] heürahten sehen; den man sicht wenig leütte, so man recht vor estimable halten kan. Mich deücht, vor dießem hatt man mehr leütte gesehen, wo man recht wercks von machen konte, alß in jetzigen zeitten, da man von nichts hört, alß von geitz, desbauchen, betriegereyen; daß deücht mir gar nicht charmant. Die fraw von Wellen[13] hatt sich nicht jung geheüraht; wie ich sie gesehen, war die gutte freüllen Charlotte schon ein alt jungfergen; wo mir recht ist, war sie älter, alß Ewer fraw mutter. Daß geht ein wenig nach dem alten teütschen sprichwordt, daß, wen ein alt jüngfergen die angst ahnkompt, flederwisch in jenner welt zu verkauffen undt feill zu tragen, haben sie weder rast noch ruhe, biß sie einen man ertappen[14]. Dieße furcht ist Eüch, gott lob, noch nie ahnkommen, liebe Louisse! Gott bewahre Eüch ferner davor! Aber freüllen Charlotte oder der fraw von Wellen raisonement war nicht gar just in meinem sin; den wen man wenig hatt, kan man sich beßer allein behelffen, alß mitt man undt kinder. Ich glaub, daß, waß Eüch ahm meisten den heüraht verlaydt hatt, liebe Louise, ist Eweres schwagers[15] humor undt daß Ihr gefürcht, einen solchen zu finden. Ich zweyffle nicht, daß, weillen Ihr Eüch dem allmachtigen gantz ergeben habt, daß er allezeit vor Eüch sorgen undt Eüch, liebe Louise, nicht verlaßen [wird]; auffs wenigst wünsche ich es von grundt meiner seelen. Daß ist woll gewiß, daß kein so gutter man ist, so nicht seinen laun undt grillen hatt, undt verliehrt man sie, bekompt man doch viel ambaras. Suma, daß beste davon deücht wahrlich den teüffel nicht. Madame de Chasteauthier[16] sagt alß, daß, wer heürahten will, müße mich nie consultiren, ich machte gar zu ein böß absehen auff den heyraht undt würde daß heürahten einem gantz verleyden[17]. Von den graffen von Berlips werde ich nicht mehr sagen; den ich muß mich eyllen, weillen es spätt wirdt. Unßer herrgott hatt mich heütte ahn schreiben verhindert undt nicht le diable au contretemps; den meine 12 capittel von heütte morgen [218] undt daß complie[18] von dießen nachmittag hatt mir gar zu viel zeit benohmen. Ich bin auch spatziren gefahren; den ich hatte madame Dangeau versprochen, daß, wenn sie mitt ihrer sohns fraw herkommen würde, daß ich ihnen die cascade undt gartten weißen wolte, welches ich auch gethan; den ich halte gern, waß ich verspreche. Wie ich wider auß dem gartten kommen, habe ich madame la duchesse mitt mademoiselle de Charoloy[19] undt mademoiselle de Clermont [gefunden]. Daß hatt mich biß umb 8 auffgehalten. Ich habe noch ein occupation bekommen, so gar ohnmöglich ist, einen andern vor sich hinzuschicken; daß hatt mich eine gutte halbe stundt auffgehalten undt jetzt schlegt es 10. Ich will Eüch doch noch ein viertelstündtgen entreteniren. Habt ihr raugräffliche kinder nicht daß stättgen von Sintzheim bekommen sambt alle umligendte gütter, so, wie man mir gesagt, den ersten undt alten raugräffen geweßen wahren[20]? Aber, wie Ihr mir sagt[21] … Da zürnt man mich, daß ich so spät schreibe. Ich muß schließen, welches mir von hertzen leydt ist. Ein andermahl hoffe ich mehr zu schreiben können, aber nun muß ich nach bett. Glückseelige gutte nacht den, liebe Louise! Ich ambrassire Eüch von hertzen undt behalte Eüch allezeit von hertzen lieb.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 25. Juli 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 214–218
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1142.html
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