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Brief vom 21. Februar 1722

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1305.


[331]
Paris den 21 Februari 1722 (N. 69).
Hertzallerliebe Louise, daß ist nun gantz unfehlbar, daß Ihr allezeit eine post seydt ohne meine brieffe undt die andere 2 auff [332] einmahl bekompt; alß[1] weitter nichts davon zu sagen, ist nur noch viel, daß die brieffe ahnkommen undt nicht verlohren werden; hoffe also, daß Ihr baldt die St-Germaine-kirbe entpfangen werdet, welches nur ein perlenmutter-schächtelgen ist. Unßer duc de Chartre[s] ist nun ein Hänsgen frischer knecht, den er geht alle tag auß, ist erschrecklich mager, sicht aber nicht übel auß; aber ich glaub, sie haben ihn von papir gemacht, so delicat undt schwach ist er. Ob die stärck einmahl kommen wirdt, mag … Aber große, dicke undt starcke leütte leben nicht lenger, alß andere, welches wir ahn die arme fürstin von Ragotzi verwichen mitwog gesehen. Sontag war sie frisch undt gesundt, montag bekompt [sie], nach dem sie einen zahn hatt außziehen laßen, ein geschwer im mundt undt daß fieber. Man hatt ihr 2 mahl ahm arm undt ein mahl ahm fuß zur ader gelaßen; sie schiene, beßer zu sein nach dießer aderlaß, ein augenblick aber hernach sagt sie: Es wirdt mir übel undt gibt den geist auff. Gestern hatt man sie begraben in ihrem closter. Ihre leütte haben mir eine gar wunderliche sach von ihr verzehlt. Wie sie noch zu Warschau war, treümbt ihr eine nacht, daß ein frembter man zu ihr kamme in einer kleinen cammer, so sie auch nie gesehen. Der bringt ihr einen becher undt sagt, sie solle drincken; sie hatte keinen durst, der man sagte, sie solle drincken, den es were der letzte drunck, so sie ihr leben drincken würde; darauff erwacht [sie]. Der draumb ist ihr doch immer im kopff geblieben. Wie sie herkamme, logirte sie sich gleich in ein hostel; da befundt sie sich übel, fordert einen docktor. Man holte gleich einen, so deß konig docktor par quartier ist undt Helvetius heist[2]; sein vatter ist ein Hollander, gar gelehrte leütte, so sehr estimirt hir sein. Wie sie den docktor sicht, erstaundt sie undt sicht in der gantzen cammer herumb. Graff Schlieben[3] fragte sie, waß ihr were, daß sie so verwundert; sie sagte, waß sie so wunder nehme, were, daß Helvetius eben derse[l]be man were, den sie zu War[s]chau im traum gesehen, setzte in lachen dazu: Aber ich werde ahn dießer kranckheit noch nicht sterben, den dießes ist die cammer nicht, worin ich mich ihm traum gefunden. Wie sie aber ins closter von Chesmidy[4] kamme, wo man ihr ein apartement geheürt[5] hatte, ohne [333] daß sie es vorher gesehen, sagte sie zu ihren leütten: Hir auß werde ich nicht lebentig kommen, den diß ist eben die kammer, so ich in Poln im traum gesehen, wo ich den letzten drunck gethan, welches auch geschehen; ist gar wunderlich. Aber mich deücht, daß solche sachen mehr den heßischen fürstlichen personnen begegenen, alß alle andern leütten. Wo es her kompt, mag gott wißen. Wir andere Pfältzer, seindt gantz contrarie, wir hören undt sehen weder geister, noch treüme. Es ist aber auch woll zeit, daß ich einmahl wieder auff Ewer liebes schreiben komme von 7 dießes monts. Ich bin nun, gott lob, wider gantz gesundt; daß samffte wetter sambt dem gutten [Alant-wein hat mich wider hergestellt]. Ihr habt vielleicht, liebe Louise, den Allant-wein nicht gleich nach dem eßen gedruncken, daß er Eüch nicht so woll, alß mir, bekommen ist. Ich weiß nicht, ob mein Allant-wein mitt neüen oder alten wein gemacht ist, aber er ist gar gutt undt ahngenehm. Der duc de Schonburg hatt I. L. der printzes von Wallis alle jahr von seinem Allant-wein von Bacherach kommen laßen, sie liebt ihn eben so sehr, alß ich. Danckt doch graff Degenfelt gar sehr von meinetwegen, die intention gehabt zu haben, mir Allant-wein zu schicken! Dieß jahr solle er nicht gerahten haben, ich will sagen den letzt vergangen[en] herbst. Warumb drinckt Ihr schlimme wein, da Ihr gutte haben könt? Undt böße wein sollen gar nicht gesundt sein undt den magen verderben. Warumb drinckt Ihr nicht lieber Neüstätter, so gutt undt gesundt ist, den man doch ahn unße[r]m hoff allezeit den churfürstlichen kinder-wein [hieß], den mein bruder s. undt ich allezeit gedrunken haben? Undt ich glaube, daß mans Eüch raugräfflichen kindern auch hatt drincken machen. Könte er sich führen laßen, würde ich ihn hir drincken; er verdirbt gleich, wen er geführt wirdt. Meines enckels hunger dawert noch, aber nun er gantz wider gesundt, erlaubt man ihm, ein wenig mehr seinen hunger zu stillen. Printz Friderich von Hannover hatt eine fausse pleurésie[6] gehabt, ist ihm 2 mahl ahnkommen[7]. Mich deücht, diß kint ist nicht gesundt, fürcht alß, es wirdt mitt ihm hapern, [334] welches mich[8] in [der seele leid thun sollte]. Aber es schlegt 11, ich muß meine pausse machen.
Sambstag umb halb 9 abendts.
In dießem augenblick komme ich auß der ittallienschen commedie. Ich habe unmoglich eher, alß nun, wider zum schreiben gelangen können. Gleich nach dem eßen habe ich ahn unßere hertzogin von Hannover schreiben müßen; die hatt mir heütte morgen einen großen brieff geschrieben, welcher 2 große fragen gethan, welche ich habe beantwortten müßen. Daß hatt mich biß umb 3 geführt, da habe ich zum konig gemüst, bin über eine gutte halbe stundt bey I. M. geblieben, sahe heütte nicht woll auß, hatt doch sein balet gedantzt. Von dar bin ich wieder her zu madame la duchesse d’Orleans, welche ich lang nicht besucht hatte. Hernach, wie ich wieder herauff bin komen, ist die große printzes de Conti zu mir kommen, hernach mademoiselle de Clermon[t] undt mademoiselle de la Rochesurion[9]. Hernach hatt man unß in die commedie geruffen, wo ich mitt den printzessinen hin bin komen; jetzt, wie schon gesagt, wider her. Lenor weiß noch nicht, daß ihre schwester, die Schelmin[10], gestorben; daß hette sie mir sonst geschrieben. Ihre niepce, die freüllen Schelm von Bergen[11], wirdt nun kein kindt mehr sein, wirdt sich vielleicht corigiren. Adieu! Ewer liebes schreiben ist vollig beantwortet, ich muß eßen undt schlaffen gehen, nachdem ich Eüch versichert, liebe Louise, daß ich Eüch von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 21. Februar 1722 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 331–334
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1305.html
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