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Brief vom 7. Juli 1712

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


555.


[283]

A mad. Louise, raugraffin zu Pfaltz, a Hernhaussen.

Marly den 7 Julli 1712.
Hertzallerliebe Louisse, ich habe heütte einmahl zeit, auff Ewer liebes schreiben zu antworten, so ich gestern entpfangen vom 27 Juni, den mein schreiben ahn ma tante ist heütte nur von 8 seyten. Waß Ihr gehabt, ist ein recht fieber in allen formen. Wovon kompt den daß? Mich deücht, die große hitze, so immer schwitzen macht, solte alle böße humoren vertreiben, daß nichts vom fieber-materie [284] bey einem bleiben solte. Meledie-Kent-pulver[1] ist eine köstliche sach undt gar nicht zu verachten, es macht nie schwitzen, man nehme dan eine starcke dose. Thé über holdermuß deücht mir ein doll remedie sein, aber alles ist gutt, waß courirt; bin fro, daß Ihr deß heßlichen fiebers quit seydt. Es muß eine boße lufft sein, so einmahl auff Hannover undt deßendt gegegen[2] gefahlen ist, daß sich jederman so auff einmahl übel befunden. Es ist gar gewiß, daß die lufft viel zu der gesundtheit thut. Aber were es nicht, daß gantz Hanover zu viel cavé nimbt, welches magen undt brust recht schadtlich sein solle?[3] Die lufft ist überall boß geweßen den gantzen winter durch, also kein wunder, wen der windt noch dergleichen auffrühren solte. Waß nicht sterblich[4] ist, geht noch woll hin. Ein gemeiner husten purgirt den leib undt man wirdt desto gesunder hernach. Ich bilde mir ein, daß die tropffen, so Eüch so woll bekommen undt andern mehr, von den englischen dropffen sein, da man von ein grain von opium hundert tropffen macht mitt 2 wurtzeln; die eine heißen azarum,[5] die andere sasafras.[6] Nichts in der welt ist beßer vor die brust. Sie schmecken bitter undt [haben] einen widerlichen geschmack wie magsamen undt teriack. So baldt man bey dem husten schlaffen kan, ist er vor nichts mehr zu rechenen. Waß man gewont, zu thun, schadt selten. Man kan auch nicht recht judiciren, waß woll undt übel; den die leiber seindt ebenso unterschiedtlich, alß die gesichter, waß einen woll bekompt, schadt dem andern. Ich sage von hertzen amen zu dem gutten wunsch, so Ihr thut, daß ma tante noch ein viel hohers alter erreichen mögen, mitt gesundtheit undt zufridenheit, setze ich dazu. Ma tante hatt Raison courirt. Er muß sehr alt sein, den ich bin gar alt undt habe ihn mein leben nicht gar jung gesehen undt ich bin 60 jahr alt. Ich muß allezeit spät abendts schreiben, den tag über hatt man zu viel verhinderungen; ich bins gewondt, es schadt mir gar nichts. Ich bin weit davon, liebe Louisse, so schön, alß Ihr, zu schreiben können. Caroline frantzosche handt gliche sehr ahn die meine. Wo ist [285] unßer gutter schreibmeister mitt seiner gebrenten handt hinkomen? Es war ein original in blodigkeit, ich habe ihn offt bang gemacht, aber doch ein gutter, frommer, ehrlicher mensch. Ich brauch keine brill; ob meine augen zwar nicht mehr, alß sie geweßen, sehe ich doch noch woll genung, umb keine brill zu brauchen dorffen; winters undt sommer schreibe ich bey licht. Liebe Louisse, hiemitt ist, gott lob, einmahl Ewer liebes schreiben exact beantwortet. Adieu! Den ersten brieff,[7] so Ihr nach dießem von mir entpfangen werdet, wirdt, wils gott, von Fontainebleau sein, den wir werden biß mittwog … Wo ich aber auch sein mag, so seydt versichert, daß ich Eüch allezeit recht lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 7. Juli 1712 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 283–285
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0555.html
Änderungsstand:
Tintenfass