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Brief vom 16. August 1714

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


659.


[423]

A mad. Louise, raugräfin zu Pfaltz, a Franckfort.

Versaille den 16 Augusti 1714.
Hertzallerliebe Louise, gestern bin ich mitt Ewer liebes schreiben vom 3 Augusti erfreüet worden. Es ist mir lieb, darauß zu ersehen, daß Ihr endtlich alle meine schreiben zu recht entpfangen habt, hoffe, daß es hinfüro richtiger gehen wirdt. Größer freüde kan mir St Clou nicht mehr geben, den es gibt mir zu betrübte erinerungen, indem ich ja leyder Monsieur s. dort habe sterben sehen;[1] aber waß mir darin ahngenehm geweßen, war, daß mein sohn undt seine gemahlin doch gesucht, mir eine kleine verenderung zu machen, undt den gutten willen muß man allezeit woll ahnnehmen. Waß die freüllen Wilhelmina von Rathsamshaussen ahnbelangt, so bitte ich Eüch, liebe Louissen, Ihr wolt ihr doch sagen, über waß ich Eüch schon geschrieben, daß gar gewiß ihre mutter ihr kein unrecht begehrt zu thun, allein es ist noch gar kein zeit; den thet sie es jetzt, würde sie sich nur selber verliehren undt gar nichts guts vor sie außrichten, den alles würde gleich, waß sie hatt, haab undt gutt, confisquiret werden; also muß sie sich abscheülich hütten undt gar behutsam in der sach sein.[2] Die arme [424] fraw hatt sich ihrer dochter schreiben so zu hertzen gezogen, daß sie schir dran gestorben were, wen mein docktor ihr nicht were geschwindt zu hülff kommen. Sie hatt eine abscheüliche gelbsucht bekommen, welches gar gefährlich vor leütten bey jahren ist, auß lautter trawerigkeit, daß ihre dochter sie so ein groß unglück über den halß gezogen hatt undt nicht begreiffen will den tord, so sie ihr gethan, undt meint, daß ihre mutter hart gegen sie seye, da sie doch unahngesehen alles übels, so sie ihr über den halß durch ihr durchgehen geladen, sie doch noch eine hertzliche liebe zu ihr tregt undt mitt schmertzen undt threnen alß ihr mißtrawen in ihren brieffen list. Mich wundert, daß Ewere schreiben eher überkommen, alß die meine; den wie ich, liebe Louissen, auß Eweren brieffen sehe, so seindt die meinen 14 tag undterwegen, da ich die Ewere doch alß den 12 tag entpfange. Die Rotzenheusserin, ich will sagen die Wilhelma, muß nie begriffen haben, von welcher consequentz ihr durchgehen geweßen, sonsten würde sie es gewiß anderst ahngefangen haben. Mein tag hab ich nicht von den cammerpräßidenten von Ingelheim gehört, weiß nicht, wer er ist. A propo von Ingelheim, die Lopes de Villanove, die witwe jetzt von einem Mosbach ist undt vor dießem mitt mir herkommen ist, die ist nun hir, ist auff einmahl zu Marly zu mir kommen, sie wirdt baldt wider weg. Hette sie mir selber nicht gesagt, wer sie ist, hette ich sie ohnmöglich kenen können, habe mein leben nichts mehr verendert gesehen, alß sie ist.[3] Wie kont Ihr Eüch resolviren, bey dießem schönnen wetter schon daß landt zu verlaßen undt in die statt Franckfort zu ziehen? In stätten kan ich nicht dawern, Paris ist mir gantz zuwider, auch kan ich keinen mont dort sein, ohne kranck zu werden undt daß fieber zu bekommen.[4] Ich admirire Ewere gedult, Eüch so umb Eweres schwager sachen zu bemühen. Wie Ewer neveu noch lebte, konte ich es woll begreiffen, aber nun, da Ihr nicht wist, in welche händt es kommen wirdt, deücht es mir eine vergebliche mühe, solte auch gleich eine von Ewern niepçen in Teütschlandt verheüraht werden. Mein gott, liebe Louisse, kaum wißen die kinder einem danck, waß man vor sie gethan, will geschweygen den die niepcen undt ihre mäner. Daß hatt der duc de Schonburg hatt, daß er hatt all sein leben vor [425] karg passirt, undt auß forcht, obligirt zu [sein], seinen döchtern waß zu geben, wen er sie verheürahten solte, fürchte ich, daß er sie alle gutte parthien wirdt verseümen machen.[5] Ich glaube, daß Ihr nun schon wißen werdet, daß der schlag die königin Anne gerühret hatt; man helt sie hir vor todt.[6] Daß hatt mich noch auffs neü ahn unßere liebe churfürstin s. gedencken machen. Hette sie noch 3 mont gelebt, so were sie [als] königin gestorben. Wie wunderlich gehet es doch in der weldt her! Ich wolte gern noch lenger raisoniren undt plaudern, allein ich erwarte eine holländische ambassadrice, deren ich audientz muß geben, kan derowegen nichts mehr sagen, liebe Louise, alß daß ich Eüch all mein leben von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 16. August 1714 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 2 (1871), S. 423–425
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d02b0659.html
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