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Brief vom 24. November 1718

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


970.


[442]
St Clou, den donnerstag, 24 9br 1718, umb halb 9 morgendts (N. 31).
Hertzallerliebe Louisse, ich bin heütte gar spät auffgestanden, erst umb halber 8 auffgestanden wegen meiner großen mattigkeit; [443] den gestern abendts hatt mich der husten so abgescheülich geplagt, daß ich zu ersticken dachte undt etlichmahl gantz violet wurde, daß ich befahle schon innerlich meine sehle gott dem allmächtigen, aber es ist gottes willen noch nicht geweßen, mich zu sich zu nehmen, undt wie daß frantzosche sprichwordt sagt: A quelque chose malheur est bon, so ist es mir dießmahl auch gangen; den die abscheüliche mattigkeit undt mühtigkeit, so mir daß erschrecklich husten verursachet, hatt mich gar woll schlaffen [machen.] Ich war einig nach halb 11 im bett, [habe] biß umb 4 uhr geschlaffen ohne husten, habe mich hernach herumbgewendt undt noch biß 7 geschlaffen, hernach habe ich gebett undt bin umb halb 8 auffgestanden, daß hatt mir meine verlohrne kräfften wieder ersetzt. Meine erste arbeydt heütte, nachdem ich meine schuldigkeit bey gott dem allmachtigen verricht, solle sein, auff Ewer liebes schreiben vom 8 dießes monts zu andtwortten, so ich vergangen sontag entpfangen. Ich habe woll gethan, dießen brieff gespart zu haben; den ich [habe] seyder dem nichts von Eüch entpfangen, liebe Louise, undt waß dießen abendt kompt, wirdt nicht allein zu spätt sein, umb völlig drauff zu andtwortten, sondern auch in der zeit fahlen, wo mir daß erschreckliche husten ahnkompt, nehmblich von 6 biß 7 undt von 8 biß 9, alßdan kan ich nichts thun. Mich deücht, unßere brieffe gehen nun zimblich richtig. Mich verlangt, zu hören, wen Ihr mein brieff undt paquet vom 6 dießes monts werdet entpfangen haben, ob Eüch die pomade divine wirdt woll bekommen sein undt die schachtelger gefahlen haben. Ey, liebe Louise, daß stehet nicht bey einem, nicht in sorgen zu sein, wen man die, so man lieb hatt, kranck meint; es were eben, alß wen ich Eüch jetzt bitten wolte, gar in keinen sorgen vor meinen abscheülichen husten zu sein, wir seindt einander zu nahe dazu. Aber ich will Eüch eygendtlich alles berichten, wie es mitt mir stehet, damitt Ihr nicht glauben mögt, daß es schlimmer mitt mir stehet, alß es in der that ist. Biß sambstag werde ich nach Paris, undt, wo mir gott daß leben verleyet, Eüch biß sontag verzehlen, wie meine reiße abgeloffen. Daß were schön, liebe Louise, daß man nur nach den leütten fragen solte, wie sie einem nutz sein. So interessirt bin ich, gott lob, nicht, noch so a la mode, liebe Louise, undt werde es auch mein leben nicht werden. Ich habe allezeit nach unßere gutte alten maximen gelebt undt werde auch so sterben. Meiner gesundtheit kan ich mich nun nicht [444] sonderlich rühmen. Ich bin persuadirt, daß die letzte aderläß undt daß bludt, so ich verlohren, schuldt ahn meinem jetzigen husten undt schnupen ist; den daß hatt mir zu viel scharpffe serositetten[1] ins bludt gesetzt. Es felt mir vom haubt in den halß wie ertzwaßer, brendt wie feüer undt sticht mich. Ob ich zwar nicht gesundt jetzt bin, so bin ich Eüch doch, liebe Louisse, sehr verobligirt vor alle Ewere gutte wünsche. Ich habe nachgedacht, der elste Woltzogen kan woll bey nahem von meinem alter sein; den seine schwester Evegen war 2 jahr alter, alß ich. Der jüngste bruder, so Carl geheyßen, der war viel jünger, alß die andern wahr[en,] der war ein hübscher bub undt junger, alß Ihr. Die lange, rane[2] leütte, wie Ihr mir den Woltzogen beschreibt, haben ordinarie keine starcke; er mögte der compagnie auff der schweinsjagt woll durch einen braffen purtzelbaum zu lachen geben. Es ist schadt, daß man den gartten weg gethan; zu dem in der lebendigen hecken, so langst dem graben war, wahren eine große menge von nachtigallen, so die gantze nacht sungen im frühling. Wo ist aber daß artige, clare bächelgen hinkommen, so durch den gartten floß undt bey welchem ich so offt auff einem umgeworffen[en] weydenbaum geßeßen undt geleßen? Die bawersleütte von Schwetzigen undt Offterßheim [standen] umb mich herumb undt plauderten mitt mir, daß divertirte mich mehr, alß die duchessen im cercle. Aber wie bauet man so liederlich nun, daß gantze gallerin abfahlen? Daß schwedische hauß zu Manheim war ja auch nur von holtz, aber doch woll gebauet.[3] Wen die Stikinel[4] unter den damen von qualitet geht, kan man woll sagen, daß ahm pfaltzischen hoff der maußdreck unter den pfeffer gemischt ist.[5] Wie hatt der bischoff von Münster zugeben können, daß seine baß einen solchen dollen heüraht gethan? Aber alles ist verhengnuß in dießer welt. Stickinels gantze historie weiß ich gar woll. Monsieur Harling hatt mich auch wunder genohmen, daß er zugeben, daß sein vetter sich so mesalliert hatt; ich hab es ihm ein wenig vorgeworffen, sagt, sein vetter hette sonst [445] nicht zu leben gehabt. Ob die mesalliancen zwar hir mehr im brauch sein, alß bey unß, so werde ich meinem Harling nicht erlauben, so lang ich lebe … Der krebs ist eine abscheülliche sach; hir schneydt man ihn nun. Ich weiß vier weiber, so man seyder wenig jahren die brüste abgeschnitten hatt. Die fraw Zachmanin jammert zu sehen, so mager ist sie seyder ihres mans todt geworden. Daß kindt ist auch noch nicht getröst. Daß metgen ist artlich undt hatt verstandt. Der todt ist zu heßlich, umb nirgendts … zu können;[6] in welche seausse[7] man es auch setzen mag, schmeckt es nicht woll; es seye, daß daß man sich in erschrecklichen schmertzen findt, alßden wünscht man den todt von hertzen. Wir wehren woll ellende menschen, wen wir unßer vertrawen nicht auffs leyden, sterben undt aufferstehung Christi setzten. Mein gutter freündt von 80 jahren, so gestorben, war der marquis de Chavignie, der marechal[e] de Clerembeau bruder; sie ist noch 4 jahr alter. Die bleyerne medaille, so zu Fontainebleau von Churtrier ist, scheindt gar kein schmahl gesicht zu sein, hatt vielleicht abgenohmen. Churpfaltz solle gar schon gewest sein in seiner jugendt. Hette ich noch eine dochter, wehre sie zu alt vor Churpfaltz; der wirdt in meinem sin woll thun, nicht wider zu heü[rahten;] er hatt ja enckelen, die churfürsten konnen werden. Aber der landtgraff von Darmstat wirdt woll thun, sich wider zu heürahten. Aber mich deücht, viel schwager undt geschweyen zu haben, ist nicht gar ahngenehm. Es seindt leütte, so böße gesichter haben undt doch einen sanfftmühtigen geist haben; wen die reputation sich mitt dem gesicht einstimbt, den ist woll waß dagegen zu sagen. Aber nun ist es zeit, daß ich meine pausse mache.
Donnerstag, den 24 9br, umb 5 abendts.
Gleich nach dem eßen bin ich en[t]schlaffen, hernach ist man mich plagen kommen, weillen wir übermorgen von hir werden undt man dießen abendt undt morgen alle paquetten … Man packt, alß wen wir in Indien gingen. Aber da leütte man ins gebett, ich werde ein wenig betten gehen. Da komme ich auß dem gebett, werde nun ferner auff Ewer liebes schreiben andtwortten, nur noch sagen, daß ich mich nicht betrogen habe, sondern Ewer liebes [446] schreiben vom 12, no 89, gleich nach dem eßen entpfangen habe. Daß werde ich aber vor biß sontag sparen, Eüch nur dancken, liebe Louisse, mir daß fest von Schwetzingen verzehlt zu haben. Von solchen sachen höre ich recht gern, sie divertiren mich mehr, alß wen ich dabey were, welches mehr weinen solte machen, alß erfröhen;[8] wen ich nur dran gedencke, kommen mir die thronen in den augen; den alles ligt mir noch ahm hertzen, waß die meinigen ahngangen. Ich glaube, wen ich Manheim, Schwetzingen, oder Heydelberg wieder sehen solte, glaube ich, daß ich es nicht würde außstehen können undt vor threnen vergehen müste; den wie alle unglück dort geschehen, bin ich lenger, alß 6 monat, geweßen, daß, sobaldt ich die augen zugethan, umb zu schlaffen, habe ich die örter im brandt gesehen, bin mitt schrecken auffgefahren undt lenger, alß ein stundt, geweint, daß ich geschlotzt[9] habe. Waß würde es den sein, wen ich mitt meinen augen sehen solte undt gedencken, daß unßer herr vatter undt bruder nicht mehr sein, wie auch meine fraw mutter! Ich bitte, liebe Louisse, kaufft mir, wo es zu finden ist, eine landtkart vom ampt Heydelberg, last sie sauber auff ein duch kleben, damitt sie nicht zureist, undt schickt sie mir undt schreibt mir, waß sie Eüch kost! Ich wils Eüch mitt danck bezahlen, liebe Louisse! Ein zeichen, daß der junge Veningen, so wir hir haben, mein patte ist, er heist nach meinem nahmen Carl. Mich verlangt recht nach dem abriß von Schwetzingen, bitt, doch die fraw von Degenfelt dran zu treiben. Weillen man die durchleüchtigste welt alle 3 jahr druckt, so kan ja kein frischeres, alß daß von 1716 [vorhanden sein.] Ihr hettet die durchleü[ch]tigste welt nur, waß man hir prochiren heist, schicken sollen, so hette ich es hir einbinden laßen; den man bindt hir beßer ein, alß zu Franckfort. Hirmitt muß ich enden, den Ewer liebes schreiben vom 8ten ist vollig beantwortet. Ich muß dießen abendt noch zwey brieff schreiben. Adieu den, hertzallerliebe Louise! Ich ambrassire Eüch von von hertzen undt werde Eüch biß ahn mein endt lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 24. November 1718 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 3 (1874), S. 442–446
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d03b0970.html
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