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Brief vom 11. Juli 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1137.


[191]
St Clou den 11 Juni[1] 1720 (N. 8).
Hertzallerliebe Louise, ich weiß noch nicht, ob ich heütte das glück haben werde, ein liebes schreiben von Eüch zu entpfangen; aber ich werde nun auff daß andtwortten, so ich vergangen sontag abendts von Eüch entpfangen vom 25 Juni, no 49. Offt mitt meinem sohn zu sprechen, ist etwaß rares, jedoch habe ich ihn vergangenen sontag abendts undt montag morgendts ein augenblick gesehen. Ich spreche ihn mein leben von keine staadtsagen[2], noch gebe ihm keinen raht; den waß man selber nicht verstehet, ist es zu schwer, andern gutten raht zu geben. Wie ich aber durch daß gemeine geschrey vernehme, so geht alles noch bitter übel. Ich wolte, daß Laws mitt sein[e]r kunst undt sisteme auff den Plocksberg[3] wehren undt nie in Franckreich kommen. Man thut mir zu große ehre ahn, zu glauben wollen, daß durch meinen raht waß beßer [192] geworden. Durch mein raht kan nichts beßer, noch schlimmer werden; den, wie schon gesagt, so gebe ich keinen raht in nichts, waß den staadt ahngeht. Aber die Frantzoßen seindt so gewohnt, daß weiber sich in alles mischen, daß es ihnen ohnmöglich vorkompt, daß ich mich in nichts mische, undt die gutten Parisser, bey welchen ich in gnaden bin, wollen mir alles guts zuschreiben. Ich bin den armen leütten recht verobligirt vor ihre affection, verdiene sie gantz undt gar nicht. Die metwürst bekommen mir noch gar woll; den ich bin, gott seye danck, in perfecter gesundtheit, so lang es wehren mag, den bey alten weibern kan es nicht lang dawern. Ich wünsche noch fürchte, gott lob, den todt nicht, hab mich gantz in gottes willen ergeben undt singe, wie daß lutterische liedt sagt, liebe Louise:
Ich hab mein sach gott heimgestellt,
Er machs mitt mir, wies ihm gefehlt!
Soll ich allhier noch lenger leben,
Nicht wiederstreben,
Sein willen thu ich mich ergeben[4].
Ich eße auch viel obst, aber vor den magen finde ich die metwürst beßer. Bradtwürst eße ich auch gern; es deücht mir aber, daß man sie beßer bey unß, alß hier, macht. Die Veningerin, die den Bernstein geheüraht hatt, die konte sie gar perfect machen. Der mademoiselle de St Pol[5] carpfen haben mir zu woll geschmeckt, umb mich deren nicht all mein leben zu erinern. Weder bey dem könig, noch hir im hauß macht man sie nicht gutt. Deß duc de Schombergs koch war vielleicht von Metz, da man viel gutte sachen ist[6], so sie hier nicht machen können; insonderheit haben sie auch noch kleine bastettger[7], so kein mensch hir machen kan, so exellent sein. Meine amme konte sie machen undt ihr elste dochter, aber Suzon kan es nicht, welches mir sehr leydt ist. Sie hatt es meinem pastettenbecker lehrnen wollen, hatt es ihm auch schriff[t]lich geben, aber sein leben hatt ers nicht lehrnen können; es muß ein eygener handtgrieff drauff sein. Soltet Ihr die freüllen von Zoettern sehen, würdet Ihr, liebe Louise, nichts schönnes sehen. Die älste ist blundt, sicht übel auß, hatt kleine blaue, zimblich verstörte augen; sie solle auch schon einmahl starcke vapeurs [193] gehabt haben[8]; sie hatt den mundt mitt gar dünnen lefftzen von einem ohr zum andern, daß ist accompagnirt mitt einem abscheülichen kropff; sie ist weder groß, noch klein undt hatt die taille weder hübsch, noch heßlich. Die zweytte ist von gleicher große, alß ihre schwester, ist braun von haaren undt von gesicht undt augbrauen, hatt daß gesicht viereckt, doch verstandt in den augen undt scheindt in allen ihren thun undt laßen raisonabel, hatt aber so woll alß ihr freüllen schwester einen magnifiquen mundt in der weitte, aber wenig lefftzen. Scheinen gutte leütte zu sein, sie gehen offt zu madame la princesse, so sie protegirt undt ihrem protzes, so sie hir haben, solicittiren lest. Daß man böße protzes vor gutt helt undt meint, recht zu haben, ander leütte gutt zu genießen, da seindt die advocatten schuldt ahn; die persuadiren die leütte, daß sie recht dazu haben, umb processen zu dawern machen undt braff gelt zu ziehen. Die, so prozessen haben, seindt woll zu beklagen. Ihre briffe ahn Eüch, noch Ewere briff ahn sie kan mir gar kein ungelegenheit bringen; ich leße keines von beyden, ist also nur eines laquayen mühe, deren ich doch alle tag einen nach Paris schicke. Ach, wie woll thut man, wo man die complimenten abschafft! Man kan doch woll mitt politesse leben, ohne viel complimenten zu machen, welche in meinen sin doch allezeit überdrüßiche sachen sein; aber man muß es doch auch nicht auff die grossiertét undt inpolitesse kommen laßen undt, wie man hir im sprichwort sagt, touttes extrémités son[t] vicieuses; aber in der mitten bestehet die tugendt. Dießes kompt viel, wie man die kinder erzieht; plumb sein, ist allen unartlich. Man kan woll hofflich sein, ohne lange tiraden von complimenten zu machen, so mir gantz undt leydtlich[9] sein undt daß leben sawer machen. Complimentiren finde ich sehr unartig, aber politesse haben undt hofflich sein, da halte ich viel von. Beningsen[10] habe ich gekendt, war vor etlichen jahren hir, alß der könig noch lebte. Ich glaube, die hertzogin von Zell[11] könte sagen, wie deß marechal de Villeroy vatter alß zu sagen pflegte. Wen man ihn fragte, wie er sich befinde, andtwort er: Ouy, je me porte bien, mais je moureres bientost. So wirdt es gewiß dießer hertzogin auch gehen; den sie muß alt sein, war ein erwacksen mensch, wie ich noch ein [194] kindt war, sie muß auffs wenig[s]t 7 oder 8 jahr alter sein, alß ich. Aber nun [muß] ich auch meine gewohnliche pausse machen. Ich habe heütte spat ahngefangen, zu schreiben; den wie ich gestern meine capittel in der Bibel nicht haben wegen der Parisser reiß leßen können, habe ichs heütte gethan.
Donnerstag, den 11 Julli, umb 7 abendts.
Ich komme jetzt eben auß der capel, wo ich mein abendtsgebett verricht; jetz[t] werde ich Eüch ferner entreteniren. Dießen gantzen nachmittag habe ich nicht schreiben können, habe die zeit zugebracht mitt brieffleßen, daß hatt gewehrt biß 5 uhr, daß die calesch kommen; bin spatziren gefahren andterthalb gutte stundt. Es ist woll daß schönste undt ahngenehmbste wetter von der welt, wetter[12] zu warm noch zu kühl, kein windt, nur ein kühl lüfftgen, suma es kan nicht schönner [sein]. Ich schreibe Eüch vor meinem balcon, der gantz offen ist; es ist eben, alß wen ich noch in der calesch were. Ich komme aber wieder ahn Ewer liebes schreiben, wo ich heütte morgen geblieben war, nur noch vorher sagen, daß ich dießen nachmittag Ewer liebes schreiben vom 29 Juni, no 50, zu recht entpfangen habe mitt den 3 gar artlichen undt woll gebrachte[13] medaillen, wovor ich Eüch sehr dancke; seindt gar nicht zu verwerffen, eben so wenig alß daß, so Ihr mir letzt geschickt, so hir sehr ist admirirt worden; den es eben so schön ist, alß antique medaillen. Ich meinte erst, wie ich die kleydung von der fürstin [sah], daß es Marie de Medecis undt Henry 4 wehren; wie ichs aber laß, sahe ich, daß es ein fürst von Anhalt war undt seine gemahlin, eine gräffin von Bentheim. Daß heütige vom printz von Auranien[14] ist auch gar woll gepracht[15]. Zu Henry 4 zeitten war einer, so medaillen machte auff dieße art. Er machte[16] die antiquen so woll nachzumachen, daß man mühe hatte, sie zu erkenen, er hieße Coldoré[17]; es mag woll von dießem sein, den er [195] ist überall herumb gereist. Dem sey nun, wie ihm wolle, seindt sie doch alle recht danckenswehrdt. Gestern habe ich den fürsten undt die fürstin von Ahnhalt zu Paris in mein modern medaillenkistgen gethan. Biß zukümfftigen mitwog werde ich, wo mir gott leben undt gesundtheit verleydt, dieße 3 hinzulegen. Dancke nochmahl gar sehr vor alle 4, liebe Louise! Nun komme ich wieder auff Ewer liebes schreiben, so ich heütte morgen ahngefangen hatte; daß aber von heütte werde ich auff sontag versparen. Ich war heütte morgen ahn die hertzogin von Zell geblieben. Ja, sie muß gar alt sein; man sagt, sie fange ahn, ein wenig kindisch zu werden, welches kein groß wunder ist. Ich habe mein leben keine inclination weder vor dieße dame, noch vor ihr dochter[18] gehabt[19], aber ihr enckeln seindt mir lieb, alß nehmblich die königin von Preüssen undt der printz von Wallis. Wofern der bischoff von Würtzburg einer von denen 2 Schonborn[20] ist, so ich hir gesehen, wunderts mich nicht, daß er einen regullirten artigen hoff hatt; den es seindt recht feine, raisonable undt wackere leütte. Der jüngste hatte große mühe, sich in den geistlichen standt zu begeben; jammerte mich recht drüber. Er war ein wenig fett, hatte aber doch ein recht hübsch gesicht, schönne augen undt farben. Der elste war schon geistlich undt nicht so hübsch, alß sein bruder. Es ist mir lieb, liebe Louisse, wen Ihr alß gutte geselschafft habt; daß amussirt Eüch doch. So viel ich von den hollochischen[21] graffen gehört, seindt sie alle woll gezogene leütte. Der graff von der Buckeburg ist zwar noch hir, aber er wirdt baldt wider nach Englandt. Wen man die leütte zwar liebt undt estimirt, kan man doch seine alte corespondentzen nicht abschaffen, andere zu nehmen. Ich wuste nicht, das er eine pension hatt. Sein herr vatter ist ein rechter narr. Ich halte, daß der könig von Engellandt nun zu Hannover ist; den ich [196] habe schon vergangener woche einen brieff von unßer lieben printzes von Wallis bekommen, worin I. L. mir sagen, daß der könig schon zu Osnabrück war; muß also nun schon zu Hannover oder Hernhaussen sein. Der könig in Preussen ist wider zu Berlin, alß ich durch einen brieff von der königin in Preusen erfahren, so ich dießen abendt bekommen undt noch beantwortten muß. Aber ich will doch dießen brieff noch außschreiben, sonsten würde ich ersticken. Ich funde die nicht jung sein, alß wie mein vetter, der landtgraff von Cassel, undt doch hinreißen können, wo sie wollen[22]. Ich glaube undt fürchte, liebe Louise, daß Ihr Eüch vor mich in medaillen ruiniren werdet. Die medaillen von Saxsen haben keine eyll, plagt Eüch nicht mitt, liebe Louise! Mein sohn hatt mich dießen abendt surprenirt, ist auff einen stutz herkommen, alß mans sichs ahm wenigsten versehen hatt; er hatt mich noch ein wenig ahn schreiben abgehalten. Nun ist Ewer liebes schreiben völlig beantwortet. Mein sohn hatt unß nichts neües gebracht, also werde ich Eüch, liebe Louise, vor dießmahl nichts mehr sagen, alß wie daß ich Eüch von hertzen lieb habe undt allezeit behalte.
P. S.
Hirbey kompt ein schreiben von madame de Dangeau vor ihre fraw schwester, die fürstin von Nassau Ussingen; den heüttigen hab ich auch geschickt.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 11. Juli 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 191–196
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1137.html
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