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Brief vom 20. Dezember 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1288.


[300]
Paris den 20 December 1721 (N. 51).
Hertzallerliebe Louise, es frewet mich, wen meine schreiben Eüch ahngenehm sein. Nun kan ich wenig von meinem thun undt laßen sagen, den daß ich stehts die naß butz, speye, huste, den kopff halte, so mir so schwer ist, alß wen ich bley drein gegoßen hette. Daß wetter ist auch abscheülich rau, schnee undt eyß überall. Alle deß königs glassieren[1] seindt schon gefühlt[2]. Ich glaube, wir werden einen abscheülichen windter bekommen, morgen hatt[3] der wintter seinen ahnfang nehmen[4]. Ich will Eüch woll sagen, [301] liebe Louisse, warumb ich, wen ich gesundt bin, keine mühe habe, mehr, alß eine vissitte, deß tags zu thun; ich steigen keine stiege mehr, man tregt mich in chaisse nauff, kan also nicht müde werden. Die Carmelitten seindt woll gewohnt, daß man in ihre küche geht[5], daß ist allezeit gesche[he]n seyder 5 jahr. Die konigin in Spanien, meine fraw stiffdochter[6], ließ sich alß in der küche ein gebacke[ne]s machen, so man in Franckreich sehr liebt undt eine boursoufflée[7] heist, mir aber schmeckts gar nicht. Knopffger[8] kan ich auch nicht eßen, kein schwebisch eßen. Biß in mein 55 jahr habe ich zu nacht eßen müßen, aber seyder dem kan ich nicht schlaffen, wen ich woll eße. Ich bin keine gr[o]ßen eßerin nicht, habe selten großen apetit undt daß frantzosch gefräß verlaydt mir alles eßen, habe mich in 50 jahren nicht dran gewohnen konnen. Mein sohn hatt gutte koch, aber keine ragout eße ich[9]. Daß waßer aber ist mir in den mundt komen, wie ich in Ewerm brieffe, liebe Louise, den frischen rehbratten undt einen gutten schweinskopff … Weder eins nochs ander konnen sie hir gar nicht zurichten. Ihr jammert mich, meines briffs wegen, liebe Louise, dieße gutte gasterey abgeschlagen zu haben. Es ist kein wordt war, daß madame d’Orleans schwanger ist; nichts hatt sie von der heürahts-verschreibung ihrer dochter abgehalten, alß die faulheit, sich ahnzukleyden[10]. Ich trage viel lieber den großen habit, alß den manteau, aber ich muß es nun tragen, weill ich kranck bin, sonst lacht man mich auß. Man sicht zu cammermagtisch in dem manteau auß, umb es zu lieben konnen. Die weitte rock, so man überall tregt, seindt mein aversion, stehet insolent, alß wen man auß dem bett kompt. Den manteau, wie ich ihn trage , ist nichts neües, madame la Dauphine hatt es getragen. Die mode von den wüsten röcken kompt ahm ersten von madame de Montespan, so es trug, wen sie schwanger war, umb sich zu verbergen[11]. Nach deß königs todt hatt es madame d’Orléan[s] wider auff die bahn gebracht. Ich muß wider willen enden, den es wirdt gar spät, bin sehr interompirt worden. Ein ander [302] mahl will ich auff daß überige andtwortten, aber nun nur versichern, daß, in welchem standt ich auch sein mag, werde ich Eüch biß ahn mein endt von hertzen lieb behalten.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 20. Dezember 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 300–302
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1288.html
Änderungsstand:
Tintenfass