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Brief vom 18. Februar 1720

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1098.


[051]
Paris den 18 Februari 1720, umb 7 morgendts (N. 65)[1].
Hertzallerliebe Louise, ich fange heütte ahn, Eüch just mitt dem tag zu entreteniren, hoffe also, heütte wider einzubringen, waß ich die vergangene woche verseimbt habe durch daß gethuns von mademoiselle ihre[r] hochzeit. Alle meiner dochter courier undt affairen, so ich hir solicittiren müßen, mich verhindert haben[2]. Unßere braut wirdt nun, gott lob, morgen weg. Wolte gott, sie were schon vor 3 jahren verheüraht geweßen! Auß waß ich hir sage, könt Ihr leicht judiciren, daß es keine große eloquentz braucht, mich [052] über dieße abreiß zu trösten[3]. Mehr will ich nichts auff dießen text sagen, komme auff Ewer liebes schreiben ohne chiffer, so aber no 9 hette sein sollen. Es hatt mich gefreüet, liebe Louise, zu sehen, daß Ihr eben so vergeßen[4] seydt, alß mein exellents[5]. Es ist doch etwaß, daß sich die post corigirt undt Eüch dißmahl nicht wider zwey von meinen brieffen auff einmahl geben hatt. Ich weiß nicht, wie es kompt, daß sich die post wider einricht; den die wege seindt noch abscheülich. Sie haben villeicht neüe pferdte auff die post gelegt. Meine gesundtheit kan, gott seye danck, nun nicht beßer sein, alß sie ist, aber braff gridtlich bin ich noch undt nicht ohne ursach. Sage Eüch, liebe Louise, von hertzen danck vor Ewere gutte wünsche zu meiner gesundtheit. Ich habe mich woll gewohnen müßen, im schreiben[6] mitt den leütten zu reden; den hir macht man sich feinde, wen man nicht mitt den leütten spricht; aber man hatt auch daß gutt, waß man ihnen auch sagt, ist all eins; wens nur gesprochen ist, so seindt sie zufrieden. Man muß hir nicht achten auff waß einem gemächlich ist oder nicht; daß geht nicht ahn. Die sclaverey ist groß, wen leütte, wie ich bin, ihre schuldigkeit thun wollen. Die gewohnheit hilfft viel dazu; im ahnfang aber, muß ich gestehen, hatt es mir mühe gekost. Nichts particulirs habe ich, man hatt hir keine pressentzcammer, wie bey unß. Morgendts sicht man die leütte bey dem auffsetzen[7], undt abendts undt den gantzen nachmittag in seinem cabinet. Wen ich ahn mein dochter wegen ihren affairen zu schreiben habe, stehe ich ein wenig früher auff undt schreibe morgendts in meiner cammer. Ich solte woll glauben, daß was hir ist, so daß gedachtnuß schwächt; den daß meine nimbt taglich ab. Wen ich meinem sohn waß zu sagen oder zu fragen habe, muß ich es auffschreiben, sonst vergeße ich es gleich. Ewern geburdtstag … ich habe ja ein callendergen, da es in stehet[8]. Ihr macht aber zu viel wercks von den bagattellen, womitt ich Eüch ahngebunden[9] habe, liebe Louise! Ich muß lachen, wen Ihr dießes ein köstlich geschenck heist. Man [053] setz[t] allezeit die gebuhrtstag übel wegen deß alten stiehls; der meine, so auff den 17 May alten stiehls ist, kompt nun durch die verenderung vom callender auff den 28 May[10]. Wen die, so die alter schreiben, sie auffsetzen, konten sie ja nur dabey setzen a. st., so wüste man gleich, woran man ist. Ewere schübladt von Ewer schranck muß ein pupenschranck gleichen mitt allen den bagattellen. Aber mein contrefait solte ja nicht dar, sondern in Ewerm sack sein; da gehört hir[11], damitt ich alß bey Eüch sein kan. Ihr jammert mich, lieb Louisse! müst bludtsarm sein, wen dießes Ewer bestes ist. Daß ist keine schande, die mahlerey nicht woll zu kenen; aber es wundert mich doch von der gutten königin in Preüssen, den die kan viel gutte gemähls gesehen haben undt daß lernt[12] woll, davon zu judiciren. In alles, waß dieße königin sagt undt schreibt, spürt man ihr überauß guttes gemühte. Unßere liebe s. churfürstin hatt mir dießer königin contrefait geschickt, daß gleicht viel ahn feu madame de Vandosme[13]; ich hoffe aber doch, daß die taille nicht so sein wirdt; den sie war gar zu klein undt gantz außgewacksen. Daß ist loblich vom könig in Preüssen, daß er die tugendt estimiren undt lieben kan. Sie meritirt, glücklich zu sein; den tugendt bey königlichen undt fürstlichen personen ist gar waß rares undt man solte wercks davon machen, wo es zu finden ist. Man hatt noch kein part geben von der keyßerin todt, aber so baldt der herr Benterritter[14] es wirdt ahngekünt[15] haben, wirdt man die trawer nehmen[16]. Solte nach dem alten schlag 3 monat dawern; weillen aber hir im landt alle trawern auff die helfft nur kommen, so wirdt der hoff nur 6 wochen trawern, ich woll ein par mont, weillen ich von selbigen hauß bin. Wir haben noch eine pfaltzgraffin, so gestorben, nehmblich deß pfaltzgraffen von Sultzbachs [054] fraw mutter[17]. Daß wirdt auch daß dantzen, sowoll alß der keyßerin todt, inhalten, also viel junge leütte betrüben. Die keyßerin, unter unß gerett, hatt eine narische undt abgeschmackte religion gehabt[18]. So alber ist man in Franckreich nicht. Dancke Eüch sehr vor die überschickte schrifftliche zeittung. Ich glaube nicht, daß es den Moscowittern gefahlen wirdt, daß der czaar catholisch worden. Es were etwaß guts, wen die Capuciner den czaar undt seinen[19] Reusen könten von ihrem barbarischen leben abhalten; zweyffle dran, sie seindt zu wildt undt unbandig dazu. Alles, waß von der verstorbenen keyßerin in dießer gazette a la main stehet, ist war. Mein dochter hatt mir es auch geschrieben. Dem Bendenritter werde ich nichts davon sagen. Mitt seynem schwartzen mantel wirdt er wie ein gespenst außsehen; den er ist von natur bleich von gesicht. Die keyßerin ist zwar nicht jung [gestorben], hatt aber doch auch kein hohes alter erreicht; sie war 3 jahr jünger, alß ich. Es seindt keine menschen-gebott, so dieße keyserin gefolgt, sondern menschen-quinten[20]. Aber daß erinert mich ahn den frantzoschen dicton[21]: C’est l’histoire de la sicogne[22], sotte gens font sotte besoigne[23]. Es ist kein wordt war, daß unßer s. [könig] ein silice[24] getragen undt es sich von monchen undt Fra[n]ciscanern hatt geben [laßen]; da hatte der könig zu viel verstandt, es ist auch der brauch bey weldtlichen leütten nicht. Man hatt viel auff den könig von solchen sachen gelogen. Die königin hatt auch gar gewiß kein silice getragen; ich habe sie hundertmahl nackendt gesehen, wen ich I. M., wie es hir der brauch ist, ihr hembt ahngethan habe. Daß ist eine ceremonie, die erste cammerfraw gibt daß hembt ahn die dame d’honneur, die dame d’honeur mir, ich der königin; bin ich aber nicht da, [noch] jemandts von den petits enfants de France undt nur eine princesse du sang, so gibt ihr die [055] erste cammerfraw daß hembt, der königin ahnzuthun, undt nicht ahn die dame d’honneur; wir haben viel unterschiedt so. Der abbé d’Entrague[s] ist noch immer in der cittadel von Lisle[25], wo man ihm nichts leydts thut undt [ihn] nach sein[e]r fantesie leben lest. Er ist nicht im narenhauß. Übel von meinem sohn hatt er nicht gesprochen, aber woll von der catholischen religion, daß er woll hette laßen können. Verstandt hatt der arme teüffel, aber daß jugement ist gar kurtz bey ihm, ist poßirlich, drumb mag ich ihn woll leyden. Ihr habt groß recht, alles zu thun, vor keine pietistin zu passiren, liebe Louise! den pietistinen oder narinen halte ich vor all eins. Der Englander stelt sich vielleicht narisch, umb sein leben zu salviren. Wen man sehen wirdt, daß er in der that ein narr ist, wirdt man ihn woll wider lauffen laßen; den buckelichten pfaffen halte ich vor gefahrlicher. In Lotteringen haben sich auch leütte gefunden, so falsche müntzen gemacht haben. Hir wirdt man nicht mitt falsch golt erdapt werden; den alles golt ist bey straff verbotten, alles wirdt mitt zettulen undt papir bezahlt. Man ist es hir nicht gewohnt, kompt trawerig vor[26]. Wir haben hir auch ein betrübts, dunckel undt verdrießliches regenwetter. Es braucht keinen aydt bey mir, umb mich zu persuadiren, daß man nicht gern auff der see ist; mir kompt es abscheülich vor[27]. Ich meine, daß graff Degenfelt resolvirt ist, mitt seiner gemahlin dieß jahr ins vatterlandt zu zi[e]hen. Hiemitt ist Ewer liebes schreiben [vom] 30 Januari vollig beantwortet. Ich komme auff daß vom 23, so ich vorher entpfangen hatte; weiß nicht, wo dieße iregullaritet herkompt. Überall gibt die post meine brieff 2 undt zwey auff einmahl. Madame Dangeau andtwort ahn ihre fraw schwester habe ich wieder geschickt. Ich glaube nicht, daß sie ihren herrn bruder[28] bey leben gefunden hatt. Es were mir lieb, wen die gutte madame Dangeau auch waß bekäme; den sie meritirts woll, ist recht tugendtsam, [eine frau], von welcher die medissance, so hir im landt gar groß ist, nichts zu sagen gefunden. Die nonen piquiren sich ordinari, ihre verwanten mehr, alß andere, zu lieben. [056]
Sontag umb 9 abendts.
In dießem augenblick komme ich auß dem opera undt man bringt mir Ewer liebes schreiben vom 3 Februari, no 10. Aber Ihr könt woll gedencken, daß ich heütte nicht drauff antwortten kan; werde es vor die andere post sparen, wo mir gott leben undt gesundtheit verleyet, nun aber, da ich ahn mein dochter schreiben muß, von welcher ich auch mitt dem Ewerigen ein brieff entpfangen, kan ich vor dießmahl nicht mehr sagen, alß daß ich Eüch all mein leben von hertzen lieb behalte.
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 18. Februar 1720 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 5 (1879), S. 51–56
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d05b1098.html
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