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Brief vom 22. März 1721

von Herzogin Elisabeth Charlotte von Orléans
an Raugräfin Louise zu Pfalz


1212.


[052]
Paris den 22 Mertz 1721 (N. 76).
Hertzallerliebe Louise, wo mir recht ist, so habe ich Eüch [053] schon vergangenen donnerstag bericht, wie daß ich Ewer liebes schreiben vom 8, no 19, zu recht entpfangen undt vor heütte gespahrt habe. Ewer liebes schreiben muß ein groß examen außgestanden [haben], weillen ich es erst den 13 tag entpfangen, nachdem es geschrieben worden. Aber da ist nichts von zu sagen undt muß man es gehen laßen, wie unßer schreibmeister mich alß in meinem schreibbuch schreiben machte:
Waß nicht zu endern stehet,
Laß gehen, wie es gehet[1]!
Er hatt Eüch vielleicht dieße sententz auch in Ewerem buch auffgesetzt. Wo ist der arme man hin komen mitt seiner verbrendten handt undt zwey finger, die so schön schrieben? Ich habe seinen nahmen vergeßen, sagt mir ihn doch wider! Er war ein frommer, aber einfältiger tropff; ich habe ihn allezeit erschrecklich geplagt. Meint Ihr, liebe Louise, daß außer den könig man jemandts respectirt? Sie brauchen nur daß wordt, aber in der that weiß man nichts davon. Ich glaube, ich habe Eüch schon gesagt, daß man eine invention von quecksilber macht, so man eine gama[2] heist; daß lest sich schaben undt hernach wider zusamen drucken. Wen mans nur ein wenig in die lufft legt, wirdt es so hart, alß wens silber were; wen es aber noch weig[3] ist, drückt mans auff daß cachet, so man abziehen will; daß kompt gantz perfect hervor, daß lest man hart werden, wirdt recht wie ein pitschir; den machet man ein meßer heiß undt zieht daß siegel-wacks vom brieff undt lest[4] ihn. Wen er geleßen undt abcopirt ist, nimbt man siegel-wacks von derselben farb, wie daß vorige war, undt pitschirts mitt dem falschen siegel von der gama wider zu; also kan kein mensch verspüren, daß der brieff auff geweßen. Mein sohn kan die gama gar woll machen. Es [wäre] mir schwer, von stadts-sachen zu schreiben; den da weiß ich kein wordt von undt wolte auch nichts davon wißen; den da werde ich mich woll mein leben nicht in mischen. Ich bin nicht allein gar nicht ambitieux, sondern auch gantz persuadirt, daß es der weiber sache nicht ist, daß [sie], wen sie sich drin mischen, nur alles verderben, wie ich hir in dießem hoff nur zu viel gesehen undt erfahren habe, welches mir einen rechten abscheü [054] davor geben; finde, daß es ein recht gewißens-sach ist, sich in sachen zu mischen, so man nicht recht verstehet, undt welches allerhandt ungerechtigkeiten nach sich zicht. Bewahr mich mein gott davor! Ich halte ungerechtigkeit vor eines von den grösten sünden von der welt. Wer sich in nichts mischt, hatt nichts zu verantwortten weder vor gott, noch der welt; will lieber vor eine einfaltige sotte passiren, alß in der that eine boßhafftige undt interessirte sein. Ich sehe gar wenig leütte, höre also wenig reden, noch raisoniren; wie ich niemandts dinnen kan, will mich auch niemandts suchen, lebe hübsch still vor mich hin, welches mir gar nicht mißfahlt[5]. Schickt es sich nicht sonderlich zu meinem standt, so schickt es sich doch zu meinem alter undt humor; laß mich also nicht mercken, daß ich es observire, damitt es nicht endern mag. Mein sohn muß es machen, wie daß alte teütsche liedt lautt:
Ich laß die leütte sagen,
Ich gedencke, waß ich will;
Die sich umb mich viel plagen,
Die gelten bey mir nicht viel.
Den leütten kan man die mäuller nicht stopffen; ein jeder raisonirt, nach dem er woll oder übel intentionirt ist; daß muß seinen weg so gehen. Liebe Louise, Ihr habt gar zu ein gutt gemühte, so touchirt zu sein, daß ich Eüch geschrieben, alß ich so übel [war]. Wie die falsche böße zeittungen alß gar geschwindt gehen, war mir bang, man mögte Eüch mitt der zeittung erschrecken, daß ich todt were; also habe ich Eüch selber weißen wollen, daß ich es noch nicht war, den ich bin sehr von Ewer freündtschafft versichert undt ich glaube, daß, wen wir einander gleich nicht so nahe wehren, alß wir einander sein, undt ich nur meiner fraw mutter s. dochter undt meines brudern s. schwester were, wie ich bin, würdet Ihr mich lieb haben, will geschweygen den, da wir ja nur einen herr vatter gehabt haben. Nun kan mir schreiben gar nichts mehr schaden, bin nun wider, wie ich vor meiner kranckheit war. Waß Eüch noch bey dem erhalt, daß Eüch sachen freüen können, ist, daß Ihr Ewer eygen herr seydt undt thun könt, waß Ihr wolt, aber mein standt ist eine[6] gar gezwungenes leben, das alle lust benimbt, undt stehet nicht zu endern. Die sagen, daß mein sohn ein gutter mensch ist, haben woll recht; er ist nur gar zu gutt, den er frägt [055] nach nichts; waß man auch gegen ihm thun mag, vergibt er gleich, wie man woll ahm duc undt duchesse du Maine undt alle ihre corespondenten[7] gesehen, welche er alle verziehen, ob sie zwar gegen sein leben conspirirt hatten. Alles woll zu gehen [machen] hir, ist gar schwer; den die leütte seindt böß wie der teüffel hir, ihre boßheit ist nicht zu beschreiben; also kan man nicht gar in ruhen sein.
Sambstag umb 3/4 auff 5 abendts.
Ich habe nicht eher wider zum schreiben gelangen können, alß in dießem augenblick; den 2 teütsche barons von Eychstatt, so meine dochter mir recommendirt hatt, haben mich gebetten, ihnen schreiben ahn die königin von Sardaignen mittzugeben, weillen sie in Ittallien reißen. Nachdem ich geschrieben, hab ich mich in kutsch gesetzt undt bin zur printzes de Conti gefahren, da ich alleweill wider her komme. Daß wetter ist sanffter, alß es geweßen; gott gebe, daß der frühling ernstlich kommen mag! Ich werde noch eine pausse machen, umb mitt meinen enckellen in die ittalliensche commedie zu gehen, aber nach der commedie hoffe ich gantz außzuschreiben. Ich glaube, liebe Louise, daß unßer herrgott daß volck vor königen macht undt könig vor dem volck, daß dem ein könig gegeben wirdt, umb durch ihre treü alß kinder ihrem könig zu dinnen und unterthan zu sein, weillen unßer herrgott ihnen einen könig vorstehlt, der könig aber solle sie alß ein vatter regieren, sie mitt samff[t]muht undt gerechtigkeit regieren, umb dadurch beyde dem allmächtigen gefahlen. Daß ist meine meinung über die hannoverische disputte. Es steht der Langallerie[8] woll ahn, gegen die bastard zu reden, so in der redoutte gemacht worden[9], da sie doch selber einen gemacht hatt; in ihrem register müste sie den ihrigen alß landtgraffen-sohn oben ahn undt zum ersten setzen. Die Langallerie ist eine impertinente creatur, sie hette mich schir ungedultig gemacht; so impertinent hatt sie mitt mir gesprochen, daß alle [056] meine damen recht böß geworden. Das hatt mich so lachen machen, daß mir all mein zorn vergangen; aber ich glaube, daß sie doch woll gemerckt, daß wir sie außgelacht haben. Ich kan es vor kein unglück halten, wen ein klein printzesgen stirbt; es were doch nur ein unglücklich mensch in der welt. Es ist ein recht glück, weillen eines von deß jungen landtgraffen kinder hatt sterben müßen, daß es daß printzesgen undt nicht der printz geweßen. Unßere liebe printzes von Wallis ist zwar in ihrem 9 mont, aber noch nicht niederkommen. Zu Ewern wunsch, liebe Louise, daß es woll abgehen möge, sage ich von hertzen amen. Sie ist persuadirt, daß Ihr sie lieb habt. Gott segne ihre niederkunfft! Ich bin froh, daß, waß ich von meiner schwacheit [geschrieben], Eüch ein wenig divertirt hatt. Aber habe ich nicht recht? Weillen die cavallier, so Hackeberg heißen, gesagt, sie wehren von Heydelberg, habe ich gemeint, sie wehren vielleicht meines bruders s. letzten precepten[10] verwandt, der bey dem hertzog von Zweybrücken ist; mögte woll brügelsuppen bekommen; den daß hatt dießer herr von seinem herrn vatter, pfaltzgraff Adolf, undt auch seiner fraw mutter, die schlügen[11] alle tag ihre leütte. Man hörte geraß in ihrem hauß; wen man fragte, waß es were, sagten sie: O! es ist nichts sonderlichs, hertzog Adolf leüfft nach seinem mar[s]chalck undt die hertzogin nach ihrer hoffmeisterin, umb sie zu brügelen[12]. Mein gott, wie spricht man ein so gar wunderlich Teütsch ahm pfaltzischen hoff! So sprach man zu meiner zeit nicht; ich habe mühe, es zu verstehen. Gott gebe, daß das gelt folgt! so werde ichs begreiffen; aber ernstlich zu sagen, so habe ich mühe, den zettel zu begreifen, den man Eüch von Heydelberg geschickt hatt. Vom regenbogen werde ich nichts mehr sagen. Lieder undt pasquillen, da seindt die Frantzoßen gar fix auff, sparen[13] niemandts. Da schlegt es 9, ich muß nach bett. Adieu, liebe Louise! Seydt versichert, daß ich Eüch allezeit von hertzen lieb behalte!
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Empfohlene Zitierweise:
Brief vom 22. März 1721 von Elisabeth Charlotte an Louise zu Pfalz
in: Briefe der Herzogin …, Hg. W. L. Holland, Band 6 (1881), S. 52–56
Onlinetext URL: https://www.elisabeth-charlotte.eu/b/d06b1212.html
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